Friedrich Gottlieb Klopstock
Die deutsche Gelehrtenrepublik.
Teil 1 :

Einrichtung der Republik  -  Die Geseze


 

Einrichtung der Republik.

 

 

Die Republik besteht aus Aldermännern, Zünften, und Volke.

   Wir müssen auch, weil dies einmal nicht zu ändern ist, Pöbel unter uns dulden. Dieser hat sich fast auf jedem Landtage über seine Benen­nung beschwert. Man hat ihm zu seiner Beruhigung verschiedne andre Benennungen angeboten als: Das geringe Volk, der grosse Hau­fen, der gemeine Mann; aber er hat damit nie zufrieden seyn, son­dern immer: Das grosse Vo1k heissen wollen. Die Jahrbücher sezen beständig: Pöbel.

Es thut nicht Noth ihn zu beschreiben. Er hat keine Stimme auf den Landtagen; aber ihm wird ein Schreyer zugelassen, der so oft man nach einer Stimmensamlung ausruht, seine Sache recht nach Herzens Lust, doch nur eine Viertelstunde lang, vorbringen darf. Er ist gehalten einen Kranz von Schellen zu tragen. Nach geendetem Landtage wird er allezeit Landes verwiesen.

 

 

Von dem Volke.

 

Zum Volke gehört, wer, ohne sich über das Mittelmässige zu erhe­ben, schreibt, oder öffentlich lehrt, oder die Wissenschaften in gemeinem Leben anwendet; ferner gehören diejenigen dazu, welche so wenig von dem wissen, was würdig ist gewust zu werden, (es komt hier auch mit in Betracht, wenn sie sich auf zu viel Unwissenswürdiges eingelassen haben) daß sie nicht zünftig sind. Ausser diesen wird die Zahl des Volkes auch noch durch die schwankenden Kenner, und diejenigen Jünglinge ver­mehrt, welche von sich hoffen lassen, daß man sie bald in eine Zunft werde aufnehmen können. Diese Hofnung schlägt freylich nicht selten fehl, und manche von diesen Jünglingen bleiben zeitlebens unter dem Volke. Indeß ist es doch gut, hier bey der Untersuchung nicht zu streng zu verfahren; denn sonst würde man wol gar einigen Jünglingen anrathen müssen, sich für erst unter dem Pöbel aufzuhalten, unter dem sie nur verwildern, und ganz würden verdorben werden. Aber diese dürfen es dann auch nicht lange anstehn lassen, sich würdig zu machen, dem Volke anzugehören; denn sonst müssen sie sich, oft sehr unvermutet, unter den Pöbel begeben.

   Das Volk hat einen Rathfrager. Diesen lassen die Aldermänner oder auch die Zünfte so oft zu Anfragen vor, als er es verlangt. Er hat über dieses auch das Recht etwas öffentlich vorzutragen, so wie es die Anwalde der Zünfte haben, aber doch mit dem Unterschiede, daß er nur den Aldermännern; die Anwalde hingegen, ob es gleich gewönlich durch die Aldermänner geschieht, der Republik vortragen. Die Alder­männer können daher den Vortrag des Rathfragers abweisen.

   Dieß schränkt zwar auf der einen Seite das Volk ziemlich ein; auf der andern Seite aber hat es, wie man gleich hören wird, auch Vorzüge, nicht nur vor jeder einzelnen Zunft, sondern sogar vor den Aldermännern.

   Es hat lange gewährt, eh die Einrichtung der Republik in dieses Gleis gekommen ist. Unsre jungen Politiker pflegen noch sehr oft darüber in Streit zu gerathen, ob es so auch gut sey.

   Wenn unter dem Volke die Mehrheit über zwey Drittheil geht; so macht sie bey der Stimmensamlung drey Stimmen aus: und zwey, wenn sie unter zwey Drittheilen ist. Sind die einzelnen Stimmen getheilt; so hat das Volk gar keine Stimme.

   Im vorigen Jahrhunderte, da dieser Unterschied noch nicht war, da das Volk noch vier Stimmen hatte, und da über das bald diese bald jene Zunft auf einige Zeit einzugehn pflegte, weil es an Wahlfähigen fehlte, ist das Volk Urheber mancher Zerrüttungen in der Republik ge­wesen.    

   Doch eh wir fortfahren von ihrer Einrichtung Nachricht zu geben, müssen wir ein Paar Worte von den Altfranken sagen.

   Man nent diejenigen Deutschen, die nicht zu der Republik gehören: Altfranken. Die Mitbürger anderer Gelehrtenrepubliken heissen bey uns: Ausländer, und die übrigen Einwohner andrer Länder: Fremde Leute. Die Benennung: Altfranken, drükt auf keine Weise Geringschä­zung aus; sie ist in Gegentheile mit daher entstanden, weil wir nicht haben wolten, daß Deutsche solten Ausländer genent werden, obgleich diejenigen Deutschen, die keine Mitbürger unsrer Republik sind, (es ver­steht sich von selbst, daß hier von denen die Rede gar nicht ist, die ihre Erziehung und Lebensart von allem Zugange zu den Wissenschaften völlig ausschliessen,) in Beziehung auf uns, wol so hätten heissen kön­nen.

   Der Ursprung dieser Benennung geht in alte Zeiten zurük. Es war da­mals, da unsre Republik entstand, nicht lange her, daß sich die Deutschen noch Franken genant hatten. Nun hatten die kühnen edlen Franken zwar grosse Thaten gethan, auch sogar einige gute Geseze gegeben; aber die Wissenschaften hatten sie nicht geliebt. Daher unsre Benennung: Alt­franken, um diejenigen zu bezeichnen, die uns nur in Absicht auf die Wissenschaften nicht angehören. Wir schäzen die Altfranken; denn man kann Verdienste haben, ohne mit den Wissenschaften bekant zu seyn: aber wir verachten sie auch von ganzem Herzen, sobald sie sich es heraus­nehmen deswegen, weil sie unwissend sind, mit Stolz auf uns herabsehn zu wollen. Und hier schüzet sie nichts gegen uns. Aus welchen alten Häu­sern, wie mächtig, wie bebändert und betitelt, wie reich, wie erfindsam in allen Arten des Wuchers, wie wohlgewachsen, wie modisch, wie fertig in Leibesübungen, fremden Sprachen, und Spielen, durch welche genaue Bande mit der sogenanten grossen oft sehr kleinen Welt sie verbunden seyn, und wie laut sie sich auch für Kenner der schönen Künste ausgeben mögen; sie werden verachtet.

   Man muß übrigens die Altfranken ja nicht mit unserm Pöbel ver­wechseln. Ein Mitglied des Pöbels verdirbt die wenigen Naturgaben, die es etwa noch haben mag, durch das Studieren; ein Altfranke läst sich gar nicht darauf ein. Denn daß er etwa auch einmal in einem Buche blättert, oder einem Gelehrten mit Gebehrdungen zuhört, als ob er wirklich Ohren für ihn hätte, das verändert bey der Sache nichts.

 

 

Von den Zünften.

 

Wir haben vier ruhende, und elf wirksame Zünfte. Diese werden gewönlicher: Oberzünfte, und jene Unterzünfte genant.

   Die Mitglieder der Unterzünfte haben manchmal Geschäfte im ge­meinen Leben, zu deren Betreibung allerdings dieß und das Theilchen einer kleinen Kentnis erfodert wird; aber solche entfernte Beziehungen entscheiden nichts, und die Unterzünfte werden ihrer ungeachtet in Ab­sicht auf die Republik als ruhend angesehn.

   Sobald ein Unterzünfter schreibt, oder öffentlich lehrt, oder seine Wis­senschaft im gemeinen Leben anwendet; das heist, sobald er aus dem Bezirke hervortrit, in welchem alles, was er weiß, nur zur Nahrung oder auch zum Schmause seines eignen Geistes da ist; so komt er dadurch, nach der Beschaffenheit der Schriften, des Vortrags, der Anwendung, entweder unter das Volk, oder in eine Oberzunft, doch in dem lezten Falle so, daß er der Zunft, auf welcher er zuvor war, auch noch ange­hören kann. Überhaupt kann man bey uns zwey ja bisweilen drey Zünf­ten angehören; man muß aber, wenn Landtag ist, die ganze Zeit über, auf der Zunft bleiben, die man für dasmal gewählt hat, Die Unterzünfte sind:

   Die Zunft der Wisser, oder derer, welchen beynah alles Wissens­würdige bekant ist. Diese Zunft ist seit je her sehr klein gewesen.

   Die Zunft der Kundigen, derer, die mehr als die Hälfte des Wissenswürdigen wissen.

   Die Zunft der Drittler. Ihre Benennung zeigt ihreBeschaffenheit. Es ist eine überaus grosse Zunft.

   Die Zunft der Kenner. Durch diese Zunft wird zwar die Zahl unsrer Mitbürger nicht wenig vermehrt, wir haben sie gern unter uns, und sie thut auch wol bisweilen etwas für uns; allein die meisten ihrer Mitglieder stehen gleichwol in zu vielen und zu genauen Verhältnissen mit den Altfranken, um patriotisch genung gegen die Republik gesint zu seyn. Sie hat auch Zünfterinnen; aber diese haben bisher nur immer Abgeordnete auf die Landtage geschikt. Vielleicht würde, wenn sie selber kämen, die Zunft patriotischer werden.

   Bey Aufnamen in die Unterzünfte haben die Aldermänner viel saure Arbeit. Denn ohne ihre Genehmigung kann Niemand auf eine Unter­zunft kommen. Man vermutet, daß sie den nächsten Landtag neues Maaß und Gewicht des Wissenswürdigen werden einzuführen su­chen. Was sie bisher davon abgehalten hat, ist die alsdann schwerere Berechnung gegen ausländisches Maaß und Gewicht gewesen. Auch wird, wie man sagt, auf diesem Landtage der grosse Unterschied, der zwischen Geschmak und Kennerey ist, genauer festgesezt werden.

   Gewönlich werden nur die in die Oberzünfte aufgenommen, die selbst denken, selten nachahmen, und als Entdecker oder Erfinder wenigstens zu einiger Höhe gekommen sind. Die Oberzünfte haben jezt Anwalde und Älteste, auf welche sie stolz seyn dürfen. Bey einem Ältesten kömt es nicht auf seine Jahre, sondern auf die Zeit an, die er Zünfter gewesen ist.

   Wir sind verpflichtet bey der Nachricht von den Oberzünften allzeit zu erwähnen, daß diese oder jene derselben entweder entdecke oder erfinde, oder auch beydes vereine. Damit wird nicht gesagt, daß es jeder Zünfter thue, auch nicht, daß es die meisten zu allen Zeiten ge­tan hätten; (denn man konte ja wol bisweilen bey der Wahl eines Mitzünfters Erwartungen von ihm haben, die er nicht erfülte,) aber die Zunft selbst kann sich deswegen nichts vergeben, noch Vorzüge verschweigen lassen, in deren Besize sie seit vielen Jahren ist.

   Weil wir Deutschen von uns selbst so wenig wissen; so sind uns auch grossentheils unsre eignen Reichthümer, wenigstens ihrem ganzen Werthe nach, unbekant. Auch das gehört zu diesen Reichthümern, was wir roh hinwarfen, und was dann die Ausländer nahmen, ausbildeten, und sich zueigneten. Aber die Geschichte wird schon zu ihrer Zeit auf­stehn, und reden.

   Man lerne, was man Ausländern, (sagte einmal ein Aldermann,) die etwa was gegen uns vorbringen, zu antworten habe. Dieß hat man ihnen zu antworten: In keiner Gelehrtenrepublik ist so viel ent­dekt und erfunden worden, als in der deutschen; und sie werden stillschweigen, wenn sie nicht unwissend oder Thoren sind, die in Ausflüchten oder Hartnäckigkeit Ruhm suchen.

   Einige der Oberzünfte sind darstellende, und andre abhan­delnde.

   Darstellung und Abhandlung (dieß möchte einigen vielleicht noch nicht recht bekant seyn,) sind nicht wenig von einander unter­schieden. Abhandlung ist gewönlich nur Theorie, und wo sie es nicht ist, da ist sie doch von der Darstellung gleich weit entfernt. Die Art des Vortrags, die zum Exempel ein Naturforscher zu der Beschreibung einer gehabten Erfahrung wählt, gränzt wenigstens sehr nah an den Vortrag der Abhandlung; Darstellung hat Theorie. Sie beschäftigt, bey der Hervorbringung, die ganze Seele; Abhandlung nur das Urtheil. Die Be­schaffenheit dessen, was auf beyden Seiten hervorgebracht wird, lernt man am besten kennen, wenn man auf die Wirkung des einen oder des andern Acht hat; und Wirkung zeigt sich vorzüglich durch ihre Dauer. Ein abhandelndes Werk geht unter, sobald ein besseres über eben diesen Inhalt erscheint. Ein Werk der Darstellung, (wenn es sonst zu bleiben verdient,) bleibt auch nach Erscheinung eines bessern über eben den In­halt. Wir sagen nur, daß es bleibe, und leugnen damit nicht, daß es nicht etwas von seinem Werthe verliere.

   Die Abhandlung nimt bisweilen, weil sie ihre Bedürfnisse kent, einige Töne von der Darstellung. Sobald sie zu viel nimt, wird sie Zwitter­werk. Und Zwitterwerk kann zu nichts weiterm gelangen, als etwa dann und wann Mode zu seyn. Man hat hierinn zu viele vergebliche Versuche gemacht, als daß die Sache nicht entschieden seyn solte.

   Die darstellenden Zünfte sind:

   Die Zunft der Geschichtschreiber. Sie erfinden, wenn sie auf neue Art darstellen, und entdecken, wenn sie das wirklich Geschehne herausbringen. Wer den Namen eines Geschichtschreibers mit Recht führen will, muß beydes vereinigen. Diese Zunft würde die kleinste unter allen seyn, wenn sie, nicht auch die zu Mitgliedern aufnähme, die sich bloß mit Untersuchung des Geschehenen beschäftigen.

   Die Zunft der Redner. Viele, die dem Namen nach auch Redner sind, hat diese Zunft nicht aufnehmen wollen. Sie haben sich unter das Volk begeben müssen. In den ältesten Zeiten Deutschlands waren vor­nämlich die Oberrichter und die Feldherren Redner. Sie sind durch die verschiednen Arten der Darstellung Erfinder.

   Die Zunft der Dichter. Sie sind theils durch die Erdichtung, und thells durch neue Arten der Darstellung Erfinder. Noch nie ist diese Zunft so groß als jezt gewesen; und doch hat man die Mitzünfter nicht ohne Strenge gewählt.

   Die abhandelnden Zünfte sind:

   Die Zunft der Gottesgelehrten. Sie sind Entdecker,wenn sie die Schrift von unrichtigen Auslegungen reinigen, und neue machen. Als Prediger können sie auch den Rednern angehören. Sobald sie aber so mittelmässige Redner sind, daß sie als solche unter das Volk müssen, so sind sie (man ist hierinn nach Beschaffenheit der Zeiten mehr oder weni­ger streng gewesen) auch auf der Zunft der Gottesgelehrten nicht zünftig mehr. Man vermutet zwar, daß den bevorstehenden Landtag viel Strei­tigkeiten hierüber vorfallen werden; aber gleichwol ist es, wie uns dünkt, nicht zu befürchten, daß diejenigen die Oberhand behalten werden, wel­che auch die guten Redner aus den Kirchen verbannen wollen. Solcherley so oft schon da gewesene und bald wieder verschwundne Vorurtheile pflegen eben kein Glük zu machen, wenn die Republik ver­sammelt ist.

   Die Zunft der Naturforscher. Eine grosse verehrungswürdige Zunft, zu der vornämlich auch die Ärzte gehören. Einige gehen mit ihrem Ursprunge bis in die Zeiten der Druiden zurük. Diese liessen die Verse, in denen ihre Untersuchungen enthalten waren, nicht aufschrei­ben, sondern nur auswendig lernen; und so musten sie desto gewisser untergehn. Von dem getischen Druiden Orpheus ist etwas durch einen Griechen übrig, der davon gehört haben mochte. Welchem Ausländer sind die Entdeckungen der deutschen Naturforscher unbekant? Diese Unwissenheit behalten sich nur Inländer vor. Auch die Chymiker gehö­ren dieser Zunft an, so wie die Mechaniker der Zunft der Mathematiker auch angehören, ob sie gleich besondre Zünfte ausmachen könten. Denn sie handeln nicht ab, beschreiben auch nicht nach Art der Abhandlung; sondern sie bringen hervor, oder stellen dar. (Man sieht, daß hier Darstellung in einer andern Bedeutung genommen wird) Aber bey Einrichtung eines Staats kann nicht alles so auf der Go"Idwage ge­wogen werden. Man untersucht, man berathschlagt sich, man streitet, die Leidenschaft mischt sich ins Spiel; die Entschliessungen werden ge­fast, und ausgeführt. Und wer kent die Rechte der Ausführung nicht. Man kann von ihr reden was man will; aber drein reden, daß es Wirkung habe, läst sie sich nicht.

   Die Zunft der Rechtsgelehrten. Als Gesezerklärer haben sie noch grosse Ernten von Entdeckungen vor sich. Zu dieser Zunft gehören auch die Publicisten und die Politiker. Seit einiger Zeit macht sie nicht wenig Schwierigkeit, wenn ein Politiker will aufgenommen werden, weil die gelehrten Politiker so oft und mit so vielem Rechte von den regieren­den sind verlacht worden.

   Die Zunft der Astronomen beschäftigt sich mehr mit Entdeckun­gen, und

   Die Zunft der Mathematiker mehr mit Erfindungen.

   Die Zunft der Weltweisen oder der Untersucher der ersten Ursachen, und der Sittenlehre in ihrem ganzen Umfange. Sie sind Er­finder, wenn sie neue oder vorher schon wahrscheinliche Säze erwei­sen.

   Die Zunft der Scholiasten. Sie haben in unsern Zeiten nicht mehr viel zu entdecken.

   Die gemischte Zunft. Sie besteht aus deutschen Sprachlehrern, aus Theoristen der schönen Wissenschaften, aus Geographen, aus Heral­dikern; aus solchen, die über vielerley Inhalt kleine Schriften so schrei­ben, daß sie wegen Einer in keine andre Zunft, aber doch wegen aller zusammen in diese können aufgenommen werden, und aus Übersezern der Alten, und solcher Neuern, welche die Vergleichung mit jenen aus­halten. Die Übersezer beschäftigen sich zwar eben sowol mit Werken der Darstellung als mit abhandelnden; aber gleichwol sind sie nur hier zünftig. Die Sprachlehrer und Theoristen haben, nach vorhergegangner grossen Säuberung, noch vieles zu entdecken. Erfinder könten die lezten nur alsdann seyn, wenn es anginge aus der Natur der Seele notwendige Regeln des Schönen zu erweisen. Sie thun genung, wenn sie durch eigne und durch Andrer Erfahrung die Wirkungen bemerken, welche das Schöne hervor bringt, und so geführt die Beschaffenheit desselben be­stimmen.

   Die Oberzünfte haben auf den Landtagen jede Eine Stimme, auch wenn die Stimmen der Zünfter getheilt sind. In diesem Falle giebt der Anwald den Ausschlag.

   Die Unterzünfte haben nur mit der Bedingung die Eine Stimme, daß die einzelnen Stimmen über zwey Drittheil gehn.

   Die Zünfte haben Anwalde. Ein Anwald muß sehr auf seiner Hut seyn, und sich ja nichts herausnehmen wollen. Denn die Zunft duldet's nicht. Man hat von mehr als einem Anwalde Beyspiele, daß er sogar von dem Vortrage, den er bey den Aldermännern hatte, ist abgerufen, und ein neuer an seine Stelle geschikt worden.

 

 

Von den Aldermännern.

 

Die Aldermänner [Anmerk. Aldermann ist ein altes deutsches Wort.] werden aus allen Zünften gewählt. Ob sie gleich auch von einzelnen Zünftern zur Wahl können vorgeschlagen werden; so ge­schieht's doch gewönlich von einer Zunft, selten von ihrer eigenen, weil sie in diesem Falle nicht leicht dazu kommen Aldermänner zu werden. Wenn sie nicht wenigstens zwey Stimmen über die Hälfte haben; so sind sie nicht gewählt. Wir haben noch kein Beyspiel, daß einer durch alle Stimmen wäre Aldermann geworden. Selbst Leibniz wurd es nicht. Dieß ... doch den Vorhang herunter.

   Die Aldermänner haben zwey Stimmen. Sind die einzelnen Stim­men gleich; so wird gelost.

   Sie können Anklage und Vertheidigung, wenn sie nicht von einer Zunft geführt werden, ohne sie auszuhören, (nur den Rathfrager müssen sie aushören) abweisen.

   Sie können vom Pöbel so viele, als sie wollen, Landes verweisen.

   Sie haben keinen Anwald; unterdeß sind doch einige unter ihnen öfter Wortführer, als andre. jeder Aldermann darf nicht nur die Meinung der meisten oder aller Aldermänner, sondern auch einiger wenigen und sogar seine eigne allein den Zünften und dem Volke vortragen.

   Über dieses alles können sie auch Knechte freylassen, und dem Herolde die Stimmensamlung auf drey Tage verbieten. Sie thun das lezte sehr selten, weil es die Zünfte nur gegen sie aufbringt.

 

 

 

Von den Knechten, Freyen, und Edlen.

 

Wer nur Andrer Meinung oder Geschmak hat, oder wer nur nachahmt, ist ein Knecht.

   Wer selbst denkt, und selten nachahmt, ist ein Freyer.

   Wer als Entdecker oder Erfinder eine gewisse Höhe erreicht hat, ist ein Edler. Damit man dieß Wort ja im rechten Verstande nehme, so müssen wir anmerken, daß es gar keine Beziehung auf diejenigen Edlen habe, welche Verdienste erben. Unsre Edlen haben selbst Verdienste, und grössere, als gewönlich selbst die Erblasser hatten.

   Diese Unterschiede haben darauf, ob unsre Mitbürger dem Volke oder den Zünften oder auch den Aldermännern angehören, folgende Bezie­hung:

   Die meisten Knechte sind unter dem Volke. Kein Knecht kann Alder­mann werden. Die Zünfte haben bisweilen einige wenige. Auf dem Land­tage 1733 entstand ein grosser Zwist darüber: Ob man nicht wol thäte, wenn man die Knechte (es waren ihrer damals noch viel mehr als jezt) unzünftig machte; aber es ging nicht durch. Und welche Ungerechtigkeit würd es auch nicht gewesen seyn, wenn man die guten ehrlichen Knechte, die es kein hehl hatten, wie in ihren Schriften und sonst offenbar am Tage lag, so hätte verstossen wollen; da man auf der andern Seite den vielen heimlichen Knechten der Unterzünfte doch nicht hätte beykom­men können. Unter der Zunft der Kenner soll es dazumal so viele dieser lezten Art gegeben haben, als es verhältnismässig nur immer heimliche Juden in Portugall geben mag.

   Es sind auch wol bisweilen etliche Freye unter dem Volke; aber ge­wönlich sind die Freyen Zünfter.

   Die Aldermänner werden fast immer nur aus den Edlen gewählt.

 

 

Von den Belonungen.

 

Die Freylassung. Die Bedingungen, unter welchen ein Knecht ein Freyer wird, kommen in den Gesezen selbst vor.

   Wird ein Knecht, der ein Scribent ist, frey gelassen; so geschieht es (nun seit drey Landtagen) mit dieser Formel, welche der wortführende Aldermann ausspricht:

   Unsre Alten gaben dem Knechte, den sie los liessen, einen Pfeil.

   Du hast bisher die Fessel der Nachahmung getragen. Das Vaterland legte sie dir nicht an, das thatest du selbst; aber es löset sie. Da ist dein Pfeil:

   Leser, wie gefall ich dir?

   Leser, wie gefällst du mir?

   Die Schale. Einigen wird, wenn sie in die versammelte Landge­meine kommen, aus der Quelle des Hains geschöpft.

   Wir haben eine goldne neuere, und eine Muschelschale, die noch aus den Zeiten der Druiden seyn soll.

   Das Eichenblatt. Es wird Etlichen bey ihrer Ankunft gereicht.

   Einigen wird ein Hügel angewiesen, von dem nur sie die Landgemei­ne anreden können.

   Blatt und Eichel empfangen Einige zugleich, wenn sie ankommen.

   Die Unterherolde überreichen die Schale, die Blätter, und die Eichel; sie führen auch auf den Hügel.

   So gewiß es auch ist, daß die Eiche den deutschen Charakter vorzüg­lich gut abbildet, und daß sich wol etwas Anmaassung unbesesner Ver­dienste mit einmischte, wenn die Römer ihren Bürgerkranz aus Eichen­laube flochten; so können wir doch der Meinung derer nicht beytreten, welche den Ursprung der eben angeführten Belonungen in den ältesten Zeiten unsrer Nation finden. Denn zu geschweigen, daß diese Meinung bloß Vermutung ist, so war die Eiche bey unsern ältesten Vorfahren mehr, als etwas Symbolisches: sie war ein geheiligter Baum, unter dessen Schatten die Götter am liebsten ausruhten. Alles was man etwa zugestehn kann, ist, daß die geglaubte Heiligkeit der Eiche die Wahl derselben zu einer symbolischen Verstellung vielleicht veranlast hat. Denn in den ersten Zeiten der Republik war unter dem gemeinen Volke die Eiche noch eben so heilig, als es die Loose waren, welche damals nicht etwa im Verborgnen, sondern vor den Altären geworfen wurden.

   Zuruf an die Nachkommen. Wer einen Hügel hat, und die Eichel mit dem Blatte zu erhalten pflegt, ist der grösten unsrer Belonun­gen fähig, dieser nämlich: Der Herold ruft von ihm vor der versammel­ten Landgemeine aus:

   Urenkel! schüze sein Werk gegen die Leerheit, die Fühl­losigkeit, und die spizfindige Denkungsart deiner Brüder!

   Daß dieser Ausruf geschehen sey, wird auf eine Pergamentrolle, wie die Geseze, geschrieben, und die Rolle wird in der grossen Halle aufbe­wahrt.

 

 

Von den Strafen.

 

Das Stirnrunzeln zeigt nicht Spott, sondern nur Verdruß an.

   Das Lächeln ist angehender Spott.

   Die laute Lache ist voller herzlicher Spott.

   Das Naserümpfen ist Spott und Verachtung zugleich.

   Das Hohngelächter ist beydes im höchsten Grade.

   Zwey einheimische Folianten tragen, nennen wir: Den Hund tra­gen; vier ausländische: Den Sattel tragen. Diese beyden Strafen sind durch sehr alte, und lang abgekomne deutsche Geseze veranlast worden. Wer den Hund trägt, geht hundert Schritte damit, und wer den Sattel, tausend.

   Kein Freyer oder Edler kann den Sattel tragen. Den tragen nur die Knechte. Unterdeß beehrt man, bey geringerer Straffälligkeit, auch wol Knechte mit dem Hunde. Es ist dieß eine gelinde Strafe. Sie wird der Runzel gleich gehalten. Wir haben's dabey im Sinne unsrer Alten ge­nommen. Diese, die den wirklichen Hund tragen liessen, meinten's mit demjenigen nicht schlimm, welcher dem einzigen Geselschafter des Menschen unter allen Thieren diese kleine Gegenfreundschaft erweisen muste. Mit dem Sattel ist es ganz was anders, nicht sowol deswegen, weil es vier Folianten, sondern weil es ausländische sind.

   Die Landesverweisung geschieht durch den Herold mit diesem Zurufe:

   Geh, du trinkst nicht mehr aus der Quelle dieses Hains! und wärmst dich nicht mehr an unserm Feuer!

   Einem die Todtenfackel anzünden, heist: Ihm durch den He­rold zurufen lassen, daß seine Schrift todt sey, ob er gleich selbst noch lebe.

   Es ist schon gesagt worden, was die Herolde bey den Belonungen, und auch bey zwey Bestrafungen zu thun haben.

   Wir haben aber auch sonst noch Beamte, welche die andern Strafen an den Mann bringen müssen. Dieser sehr löbliche Ämter sind allerdings etwas lästig. Die Lästigkeit findet besonders alsdann statt, wenn sie so viele Verrichtungen auf Einmal bekommen, daß sie dieselben so zu sagen, mit Einer Gebehrde, und in Einem Athem, bewerkstelligen müssen.

   Wer ihrer einer werden will, muß hauptsächlich zwey Eigenschaften haben, nämlich eine grosse Geschiklichkeit, sich sehr ausdrückend zu gebehrden; und dann ein gar besondres Larvengesicht, wohey vornämlich die Grösse und Gestalt der Nase mit in Betrachtung kommen. Der Hohnlacher muß ausser diesem (er kriegt aber auch mehr verewigte Maculatur zur Besoldung als die andern) eine sehr starke, und zugleich rauhe Stimme haben. Man pflegt wol den Schreyer von der Landesver­weisung loszusprechen, und ihn zum Hohnlacher zu erheben, wenn seine Nase die erforderlichen Eigenschaften zu dieser Verrichtung hat. Es ver­lautet, daß es verschiednen gewesenen Ausrufern, die jezt Aufwärter bey den Nachtwächtern sind, geglükt sey, Anwartschaft auf eine oder andre dieser Stellen zu bekommen. Sie sollen besonders in der Gebehrdung gar stark seyn.

   Diese sind die gewönlichsten Belonungen und Bestrafungen. Die üb­rigen, die seltner vorkommen, kann man aus den Gesezen kennen lernen.

 

 

Von dem Polizeygerichte.

 

Bisweilen wird auf den Landtagen ein Polizeygericht niedergesezt. Dieses geschieht, wenn Fälle vorkommen, die zu entscheiden unter der Würde der Republik wäre. Dieß Gericht besteht aus Zwölfen, die zum Volke gehören, und aus Einem Zünfter. Es ist gehalten, nach einer Vorschrift zu verfahren, die, den Zeitumständen gemäß, gelinder oder strenger ein­gerichtet wird. Zünfte und Volk überlassen's gewönlich den Aldermän­nern die Vorschrift zu geben.

 

 

 

 

Vielleicht komt diese Nachricht von der Einrichtung der Republik eini­gen zu kurz vor. Da sie aber gleichwol vollständig ist; so kann uns un­serm Bedünken nach der Vorwurf der Kürze nicht nachtheilig seyn. Den meisten Gelehrten ist diese Einrichtung ohne das schon bekant; und diejenigen, welche wegen ihrer Jugend, oder aus andern Ursachen, noch nicht auf unsern Landtagen gewesen sind, mögen aus dem Kerne, den wir geliefert haben, sich, wie es ihnen gefält, den Baum aufwachsen lassen: und, kommen sie hernach auf einen Landtag, zusehn, ob Blüthe und Frucht so sind, wie sie es gemeint haben.

   Wir wollen zu allem Überflusse nur noch ein Paar Anmerkungen machen.

   Die Einrichtung der Republik ist aristokratisch. Da die Geseze auch die Grösten unsrer Mitbürger angehn; so kann es nicht geschehn, daß die Aristokratie in Oligarchie ausarte. Im vorigen Jahrhunderte fing die Republik an ziemlich demokratisch zu werden; aber diesem Übel ist im Anfange des jezigen dadurch völlig gesteuert worden, daß das Volk die vierte Stimme verloren hat, und die Aldermänner den Vortrag des Rath­fragers abweisen können.

   Wir sind auf Landtagen der englischen und der französischen Gelehr­tenrepublik gewesen. Die englische ist beynah demokratisch. Der Pöbel hat da viele Freyheiten, und mehr als Einen Schreyer. Wenn sich die Schreyer über eine Sache vereinigen (das beste ist noch, daß dieß selten zu geschehn pflegt) so kann der Pöbel sogar der Republik vortragen. Knecht kann man da nach Herzens Lust seyn; und heist doch ein Freyer. Denn diese Ausländer behaupten, daß sie keine Knechte unter sich haben. Deutschen, denen es zuwider ist, daß wir hiervon nicht geschwiegen haben, müssen wir bezeugen, daß sie uns gleichgültig, und theils verächt­lich sind.

   Die französische Gelehrtenrepublik ist jezt so oligarchisch, daß sie sogar einen Hang hat, die Dictatur einzuführen. Auf dem Landtage, auf welchem wir waren, fehlte nicht viel daran, daß Voltaire wäre zum Dic­tator gemacht worden. Glüklicher Weise gelang noch einem kleinen Häuflein Patrioten ihre Widersezung. Wenn denn ja Dictatur seyn solte, welch ein Dictator! Was würd er unter uns seyn! Solte unsre Republik (welches doch ganz und gar nicht zu befürchten ist) so unglüklich seyn, auf die Dictatur zu verfallen; so würde die Sache doch gewaltig ins Stecken gerathen, wenn es nun auf die Wahl des Dictators ankäme. Leibnizen könten wir denn doch nicht wieder auferwecken. Aber gesezt er lebte noch, würde dieser so sehr verehrungswürdige Mann, dessen Bescheidenheit nur seiner Grösse glich, die Dictatur annehmen wollen?

Die Freyheit unsrer Republik ist in ihrer Einrichtung, und in ihren Gesezen tief gegründet. Von innen haben wir also ihren Verlust nicht zu fürchten; aber von aussen auch nicht. Denn wären auch Mäcene in Deutschland; so würden die sich gewiß nichts gegen die Republik an­massen, das ihrer Freyheit nachtheilig seyn könte: und dazu, daß uns die Mäcenate, die es etwa hier und da giebt, auch nur den Schatten eines Jochs solten auflegen können, würde sehr viel gehören, nichts ge­ringers, als die Abschaffung derer Geseze, welche die Republik in Be­ziehung auf sie gegeben hat.

 

 

 

 

 

 

Die Geseze.

 

 

 

VORREDE.

 

Die Geseze unsrer Republik sind bisher nur durch die mündliche Über­lieferung unter uns bekant gewesen. Die Aldermänner pflegten sie bey versammelter Landgemeine bisweilen aus dem Gedächtnisse zu wieder­holen. Nur wenige unsrer Mitbürger bekümmerten sich genug darum, um in die Halle zu gehen, und in den Rollen nachzulesen. Öftere Vor­schüzung der Angeklagten, daß sie die Geseze nicht recht wüsten, hat die Aldermänner zu dem Entschlusse gebracht, uns, Salogasten und Wlemarn, zu gebieten, daß wir den Hauptinhalt der nothwendigsten Geseze durch den Druk bekant machen solten. Wir thun dieses hiermit, und führen dabey allzeit die Geseze selbst, oder die Landgerichte, denn so heissen sie in unsern Jahrbüchern, dadurch an, daß wir den Anfang derselben hinsezen. Es ist nun auch folgendes von den Alder­männern genehmigt worden. Die Landgerichte werden nämlich nicht mehr, wie vordem, und nur bisweilen, geschah, vor der Landgemeine aus dem Gedächtnisse wiederholt, sondern verlesen. Und vielleicht wird bey der nächsten Versamlung der Landgemeine auf den Druk derselben angetragen. In dem Falle, daß dann die Mehrheit der Stimmen für diese Bekantmachung ist, so werden wir sie, und zwar in der ihnen eignen ältern Schreibart, die aber auch in den spätern Zeiten ist beybehalten worden, herausgeben. Dürften wir diese Schreibart auch verändern; so würden wir es doch nicht thun wollen. Denn sie ist von einer Beschaffen­heit, daß durch sie der wahre Sinn der Geseze vorzüglich gut hervor­leuchtet.

   Hätten wir, was unsre jezigen Anzeigen des Hauptinhalts betrift, auch nur in geringstem diesen wahren Sinn verfehlt; so würden wir die ersten seyn, die sich darüber die lebhaftesten Vorwürfe machen würden. Denn zu geschweigen, daß dieß dem Besten der Republik zuwider wäre, so müsten wir uns ja alsdann für unwürdige Abkömlinge unsrer grossen Stamväter Salogastens und Wlemars halten, die nebst andern Weisen ihrer Zeit die Geseze der salischen Franken und der Friesen, mit der gewissenhaftesten Sorgfalt gesammelt, und in Ordnung gebracht haben. Geschrieben in der grossen Halle 1769.

 

 

EINLEITUNG

 

1 Von den Grundsäzen der Republik.

 

 

Deren haben wir nur drey. Der erste ist: Durch Untersuchung, Be­stimmung, Entdeckung, Erfindung, Bildung, und Besee­lung ehmaliger, neuer, und würdiger Gegenstände des Denkens und der Empfindung sich recht viele und recht mannigfaltige Beschäftigungen und Vergnügen des Geistes zu machen. Der zweyte: Das nüzlichste und schönste von dem, was jene Beschäftigungen und Vergnügungen unter­halten hat, durch Schriften; und das nothwendigste auf Lehrstülen Andern mitzutheilen. Der dritte: Schriften, deren Inhalt einer gewissen Bildung nicht nur fähig, sondern auch würdig ist, denen vorzuziehen, die entweder ohne diesen Inhalt, oder ohne diese Bildung sind.

   Dadurch wird nicht gesagt, daß diese Bildung sich immer bis zur Darstellung, aber gesagt wird, daß sie sich allzeit über den trok­nen Vortrag erheben müsse.

   Die Erfahrung vieler Jahrhunderte hat gezeigt, daß nur solche Schrif­ten dauren. Und obgleich auch bisweilen diejenigen, denen jene Würdig­keit des Inhalts fehlt, auf die Nachwelt gekommen sind, so verdienen sie doch ihre Dauer nicht. Der Grund des Vorzuges, den wir geben, ist zu erwartende und verdiente Dauer.

   Handeln und Schreiben ist weniger unterschieden, als man gewönlich glaubt. Wer handelt und wer schreibt, bringt Wirkungen hervor. Diese sind auf beiden Seiten sehr mannigfaltig. Die das Herz angehn, sind die vorzüglichsten. Sie haben eine nähere Beziehung auf die Glükseligkeit, als alle andere. Ob der Schreiber oder der Handelnde in grösserm Um­fange wirke? Der eine vielleicht bisweilen so lange er lebt, und dann durch die Wirkungen der Wirkungen, so lange sie dauern können. Der andre wirkt auch nach seinem Tode, und immer von neuem ganz. Und wenn dieses von neuem ganz auch nur ein Jahrhundert fortwährt, so währt es lange. Hierzu kömt noch die gewönlich grössere Zahl derer, auf welche die Schrift Einfluß hat. Und dann die Einflüsse der Leser auf die, welche sie nicht kennen. Dieß wiegt auch auf der Wagschale. Die Aldermänner haben uns geboten, auch über diese Sachen kurz zu seyn, ob wir gleich, ohne weitläuftig zu werden, viel mehr darüber hätten sagen können.

 

 

2 Von unserer Politik.

 

Wir haben gar keine. Dieß bringt uns nicht wenig Nachtheil. Den Alder­männern ist nicht unbekant, daß sie sich bey versammelter Landgemeine vergebens bemühen würden, sie von diesem Nachtheile zu überzeugen. Sie haben aber beschlossen, einige wenige Grundsäze der Politik für sich selbst festzusezen. Hiervon komt in der Geschichte unserer Republik, die nun bald vollendet ist, mehr vor. Wir wissen noch nicht, ob wir sie werden herausgeben dürfen; aber davon, daß uns die Aldermänner be­fehlen werden, die Geschichte des bevorstehenden Landtages bekant zu machen, haben wir viel Hofnung. Auf diesem werden viel wichtige Dinge vorgehn, und ausgemacht werden. Man wird auch, wie die Rede geht, unter anderm einige Freye, die es unrechtmässig sind, zu Knechten ma­chen; viele unsrer Mitbürger, bis sie sich etwa bessern möchten, für stimmenlos, und nicht wenige zu Nachtwächtern erklären, sowol we­gen ihrer Wahlfähigkeit, als auch deswegen, weil die Vermehrung der Nachtwächter jezt Noth thut. Denn von den ausländischen Gelehrten­republiken kommen nachtnächtlich mehr verstorbne Schriften an, die als Gespenster umgehen, und bey unsrer Jugend besonders dadurch viel Unheil stiften, daß sie vorgeben, als machten sie daheim Epoke. (Wir dürfen es uns verzeihn, dieses fremde Wort gebraucht zu haben, weil das ganze Geschwäz von allerley Epoken, die keine Epoken sind, von den Ausländern zu uns herüber gekommen ist.) Es zweifeln freylich et­liche unter uns an erwähnten Gespenstergeschichten; sie führen auch ziemlich scheinbare Ursachen ihrer Zweifel an, indem sie sagen, daß sol­che Schriften ohne Geist gewesen wären; wenigstens würde man das

Gegentheil eben so wenig erweisen können, als man erweisen könte, daß die Thiere Seelen hätten: aber was sie auch vorbringen mögen; so sind zu Viele, die solche Gespenster gesehen haben.

 

 

DIE GESEZE.

 

 

Von unsrer Sprache.

 

1

Wer lateinisch schreibt (die bekanten Nothdurften ausgenommen) wird so lange Landes verwiesen, bis er etwas in unsrer Sprache geschrieben hat.

 

Landgericht:

Die unvaterländischen Sclaven ...

L. G.

Den Nachlesern und Stoppelsamlern ...

   Wir werden sowol hier als in der Folge einige historische und auch andre Erläuterungen hinzusezen. Nur denen, welchen unsre Geseze gleichgültig sind, kann es diese Sorgfalt ihren Sinn zu zeigen seyn.

   Das Gesez die Sclaven betreffend ist älter, als wir wegen der lauen Beobachtung desselben sagen mögen. Die Stoppelsamler kamen auch schon auf einem Landtage des vorigen Jahrhunderts vor. Die Scho­liasten haben sich auf beyden Landtagen nicht wenig unnüz gemacht; aber dafür auch derbe Widersprüche hören müssen. Eine Stelle des er­sten Gesezes hat uns immer vorzüglich merkwürdig geschienen, diese nämlich: Denn was da Bücher lieset, wird nicht eher aus dem Nebel der Redensarten heraus, und bis zu dem Lichte wirklicher Gedanken kommen, als bis die, welche die Bü­cher fertigen, in der Sprache des Landes schreiben. Der Scholiast Petrus Schorfius Secundus soll von dieser Stelle das Zipperlein gekriegt haben.

 

2

Wer in einer neuen ausländischen Sprache schreibt, wird so lange Lan­des verwiesen, bis er etwas in unsrer Sprache herausgiebt. Ist er ein Knecht, so wird er vorher durchs Naserümpfen gestraft.

 

L. G.

Die Geringschäzung des Eignen, und Bewundrung des Fremden ...

L. G.

Selbst Leibniz, wenn er wieder käme ...

 

3

Wenn ein Knecht über drei neue Worte wagt, so büst ers durch das Naserümpfen.

L. G.

Einmischung in anderer Leute Sachen ...

   Dieß Gesez ist auf dem ersten Landtage, von dem wir Jahrbücher haben, nämlich 1553 gegeben worden. Man weiß, daß schon Luther, (gegrüsset sey mit einem warmen herzlichen Grusse die Asche dieses vortreflichen Mannes!) daß schon er einen ordentlicheren Landtag, auf dem unter andern alles was vorginge, in Jahrbücher aufgezeichnet wür­de, hat zusammen berufen wollen; aber er ist nicht damit zu Stande gekom­men, und darüber hingestorben. Wir finden in den Jahrbüchern (Luthers Handschrift ist dabey geklebt, und mit Seidenzeuge, wie die kleinen Malereyen über den Liedern der Minnesänger, bedekt) folgendes mit grössern Buchstaben eingetragen: Komts dazu, daß die Landge­meine gelehrter Männer zusammentrit; so reg ich denn an, und bringe als zur Richtschnur in Vorschlag: Berümpft soll und muß werden jeglicher Knecht, kleines oder gros­ses Rufs und Namens, vom Haubt bis zun Füssen, der's waghalset auch nur zwey bis drey neue Wort in unsre liebe edle deutsche Sprache einschalten zu wollen.

 

4

Wenn ein Freyer oder Edler ausländische Worte ohne Bedürfnis in die Sprache mischt, so entgilt er's, sinds nur wenige, durch die Stirnrunzel, sinds aber viele, so trägt er den Hund. Mischt ein Knecht ein, es seyn dann viel oder wenig Worte; so büsset er's durch das Hohngelächter, und wird er noch einmal betreten, durch den Sattel.

L. G.

Wider die Natur und alte gute Sitte unsrer Sprache ...

 

5

Wer hundert Scherfe und zehn Goldstücke in die Sprache gebracht hat, der erhält Schale und Blatt; wer die doppelte Zahl der Scherfe und der Goldstücke, Hügel und Eichel.

L. G.

Weil von der Sprache grossentheils die Denkungsart eines Volks abhängt ...

 

   Sowohl das von der alten guten Sitte, als von der Sprache und Denkungsart, sind 1698 gegeben worden. Zu Karls des Fünften Zeiten mischte man, wie Leibniz erzählt, spanische Worte ein, vermutlich aus gutherziger Dankbarkeit für den schönen kaiserlichen Einfall, und damit ihm die Pferdesprache etwas sanfter wiehern möchte. Wie es die­sen Worten ergangen ist, wissen wir; und sehen zugleich daraus, wie es künftig allen heutigstägigen Einmischungen ergehen werde, so arg nämlich, daß dann einer kommen und erzählen muß, aus der oder der Sprache wäre damals, zu unsrer Zeit nämlich, auch wieder einge­mischt worden; aber die Sprache, die das nun einmal schlechterdings nicht vertragen könte, hätte auch damals wieder Übelkeiten bekommen. In dem zweyten dieser Geseze wird von den Goldstücken gesagt, daß sie wahre Heckethaler wären.

 

 

Von Streitschriften.

 

1

Streitschriften können nur im Falle der Nothwehr gewechselt werden.

L. G.

Obwol oft Wahrheit durch Streit und Strauß ...

   Dieses wurde erst auf dem Landtage 1733 gegeben. Eine frühere Ge­sezgebung Streit und Strauß betreffend hätte vielleicht manche Lächer­lichkeit von den Gelehrten abgewendet.

 

2

Wenn der Fall der Nothwehr, welcher durch hundert gute Männer und Einen bestätigt werden muß, nicht vorhanden gewesen ist, so wirds an dem Angreifer und dem Vertheidiger durch dreymal wiederholtes Hohn­gelächter gerügt, weil unter den Altfranken, vornehmen und geringen, viel Lachens über den Streit gewesen ist.

L. G.

Der hohe Ton etlicher Altfranken, die doch selbst, wenn sie Kriege führen ...

 

3

Ist der eine von den Streitenden ein Edler gewesen, so büst ers nur durch die Stirnrunzel und das Lächeln.

L.G.

Mehr zur Warnung als zur Strafe ...

 

4

Wird ein Streitender ertapt, daß er unter seinem Schreibzeuge Knüttel oder Keule verstekt liegen habe, so wird er auf ein Jahr Landes verwie­sen.

L. G.

Alle Wildemanns Arbeit ...

   Diese drey Geseze gehören dem folgenden Landtage zu. Die Angeklag­ten hatten sich hinter der Schwierigkeit, den Fall der Nothwehr zu be­stimmen, verstecken wollen.

   Das: Der hohe Ton etlicher Altfranken enthält besonders eine nicht unmerkwürdige Stelle, diese nämlich: Mögen sich doch Karl und Franciscus noch so kräftige Schimpfworte zuge­schrieben haben; mag doch so mancher Fürstendiener, wenn er, zur Zeit des Schwertrechts, vom Vernunftrechte, geplaudert hat, durch Hülfe noch derberer Schimpfworte über beyderseitige Majestäten noch so weit weggekom­men seyn; so ists und bleibts doch der Gelehrten unwür­dig ...

   Bey der gelinderen Bestrafung des Edlen wird vorausgesezt, daß er mit mehr Mässigung, als der andre gestritten habe. Denn wäre dieses nicht; so müste er es, weil er ein Edler ist, desto mehr büssen.

   Es könte scheinen, als wenn das lezte dieser Geseze in früheren Zei­ten, in denen, da man noch gewafnete Vorreden schrieb, wäre gemacht worden. Gleichwol ist es von 1733. Man hat Unrecht, wenn man den Gesezgebern nicht zutraut, daß sie ihre Zeiten kennen. Vielleicht ist dieß Gesez, selbst in unsern Zeiten, nicht ganz überfliessig.

 

 

Kerngeseze.

 

1

Wer, unter dem Vorwande der Vollständigkeit, das Wiederholte wieder­holt, ist auf Jahr und Tag zu Belonungen unfähig.

L. G.

Anlangend die Abschaffung der Pluderhosen ...

   Wir erwähnen nur in Vorbeygehn, aber, nach unsrer historischen Genauigkeit, können wir es doch auch nicht völlig weglassen, daß, unter dem Volke und der Zunft der Scholiasten, ein nicht kurzdauren­der Zwist darüber entstand, ob man Pluderhosen, oder Pump­hosen sezen solte. Dieses sehr reichhaltige Gesez, das unschuldiger Weise den lächerlichen Zwist veranlaste, wurde auf dem Landtage 1723 von den Aldermännern in Vorschlag gebracht. Beynah wär es nicht durch­gegangen. Nur Eine Zunft gab den Ausschlag. Die Scholiasten regten sich mit besondrer Heimtücke dawider. Die Nachricht von ihren dama­ligen Ränken fült viele Blätter der Jahrbücher. Wir haben diese Abthei­lung deswegen Kerngeseze überschrieben, weil wir sie unter den Pa­pieren eines Aldermanns mit dieser Aufschrift gefunden haben.

 

2

Wenn sich ein Scribent in seinen Werken auf mehr als zwey Wissen­schaften und drey Kentnisse einläst, muß er entweder auf alles Gefühl von Vortreflichkeit Verzicht thun; in diesem Falle ist er, so lange er bey dieser Verzicht beharret, aller Belonungen unfähig.

L. G.

Alle die sich mit Wissen und Willen beym Stule nieder­sezen ...

   Oder er muß beweisen, daß Leibnizens‑ Geist in ihn gefahren sey. Im Falle, daß es mit dem Beweise nicht fort will, ist er, so lange er bey der Behauptung beharret, eben sowol aller Belonungen unfähig.

L. G.

Da nichts mislicher ist, als Berufung auf grosse Männer ...

   Wir haben die erste von diesen beyden Rollen nie gelesen ohne uns bey folgender Stelle etwas länger aufzuhalten: Denn Vortreflichkeit hat Falkenauge und Adlerflug; und ist mit nichten ein Schmetterling, der nur so eben ein wenig überm Geschmeiß umherflattert.

 

3

Ein Knecht kann über diese Sache gar nicht vernommen werden.

L. G.

Alles was ausser der Sehe und Beäugung ...

 

4

In dem hoffentlich seltnen Falle, dag ein freyer tortdauernde Unbärtigkeit durch den Augenschein solte darthun können, wird er auch nicht vernommen.

L. G.

Da Unbärtigkeit unter die unüberwindlichen Hindernisse ...

   Die beyden Geseze, die kurze Sehe und die augenscheinliche Unbärtigkeit betreffend, gehören mit zu den gelindesten, welche die Republik hat. Bey den Altfranken sind uns indeß die Folgen dieser Scho­nung etwas nachtheilig. Denn diese haben kein arg aus dem grossen Unterschiede, der zwischen Knechten, solchen Freyen, und Männern ist, wider welche nach den drey ersten Kerngesezen mit Strenge verfahren wird.

 

5

Wer überwiesen werden kann, daß er die Stunde des Genies ungebraucht habe vorüber gehen lassen, ist auf Jahr und Tag keiner Belonung fähig.

L. G.

Die Kürze des Lebens, und die Seltenheit der Stunden ...

 

6

Wer zu wenigem Inhalte viel Geschwäz gemacht, und dieß hundert und Einen Tag getrieben hat, entgilt es durch die laute Lache.

L. G.

Niemanden weniger als den Deutschen ziemet ...

L. G.

Die grosse ansteckende und gar gefährliche Krankheit un­sers erleuchteten achtzehnten Jahrhunderts ...

   Die Seuche, der das Gesez erwähnt, ist erst auf dem Landtage 1757 so recht bemerkt worden; und doch hatte sie besonders auch in vorigem Jahrhunderte schon sehr gewütet. Wie schleichend ist oft der Gang, den die menschliche Erkentnis geht.

   Wir können die etwanige Dunkelheit des Ausdruks: Hundert und Einen Tag, am besten aus dem Geseze selbst erklären. In der Rolle lautets davon so: Wird's hundert und eintägige Geschwäz auf Lehrstülen getrieben; so ist die Rede von wirklichen Tagen: fält aber der Unfug in Büchern vor; so wird die angezeigte Zahl Bogen verstanden.

 

7

Will sich einer, der vieles Geschwäzes halben angeklagt ist, durch Ge­wonheiten, Herkommen, Sitten und Gebräuche anderer Gelehrtenrepu­bliken, unsrer Bundsgenossinnen, entschuldigen, so büsset ers durchs Hohngelächter.

L. G.

Nicht zur Beschönigung, sondern daß man sich daran spiegle, dient ...

   Mit den Einflüssen dieser Sitten und Gebräuche ging es vor der Gebung des Gesezes (es ist auch erst von 1757) doch auch allzuweit. Wer Mut genung hat, sich in grosse Büchersäle zu begeben, muß beynah vor jedem Schranke die Ohren zuhalten, wenn er nicht völlig betäubt werden will.

 

 

Von den Lehrgebäuden.

 

1

Neue Lehrgebäude werden gleich, wenn sie fertig sind, verbrant.

L. G.

Damit die Republik nicht durch grosse Wahrheitsverluste in Gefahr komme ...

 

2

Wenn das Lehrgebäude brent, wird der Erbauer an die Gränze geführt. Läst er beym Umsehen nur eine Thräne fallen, so wird er so lange ver­wiesen, bis der Wind die Asche ganz zerstreuet hat. L. G.

Hartnäckige oder weichliche Anhänglichkeit darf nie den Richter ...

 

3

Wer auch nur als Handlanger dabey geholfen, vornämlich aber wer den Kranz aufgesezt und die Rede gehalten hat, wird mit der lauten Lache bestraft.

L.G.

Bey Dingen, wodurch die Republik in Gefahr kommen kann, wird bis auf den Helfershelfer ...

   Einige wolten, daß man die Einführung dieser Geseze, weil Wolf noch lebte, bis zum künftigen Landtage aussezen solte. Aber wie konte die versammelte Republik, Eines Mannes halben, unterlassen, was sie zu thun vorhatte? Wird die Zeit jemals kommen, da man genug richtige Erfahrungen wird gesammelt haben, und also die Geseze von den Lehr­gebäuden wird abschaffen können?

 

 

Von den Nachtwächtern.

 

Wer fünf Jahre und sieben Tage nichts anders gethan, als mittelmässige Bücher übersezt hat, wird Nachtwächter.

L. G.

Die gute Vertheilung der verschiednen Geschäfte ...

   Wurde 1733 von der Zunft der Scholiasten vorgeschlagen. Sie fürch­teten wol, daß nähere Bekantschaft mit den Ausländern ihren Schriften nachtheilig seyn möchte. Die einstimmenden Zünfte nahmen: mittel­mässig in seinem rechten Verstande; und kehrten sich nicht daran, daß die Scholiasten die Schriften der Neueren überhaupt damit gemeint hat­ten. Bald nach Einführung des Gesezes wurden drey Scholiasten, weil sie aus andern Ursachen wahlfähig waren, zu Nachtwächtern gemacht.

 

2

Ein Nachtwächter hat unter andern dafür zu sorgen, daß die, welche durch eine spize oder scharfe Feder im Zweykampf erlegt sind, und nun als Gespenster umgehen, des Spukes nicht zu viel machen.

L. G.

Das ewige Vorgeben derer, die im Zweykampfe geblieben sind, als wären sie nicht geblieben ...

   Wer hat solche Beyspiele von Zweykämpfen nicht erlebt. Wir Gelehr­ten streiten so viel, daß ja zulezt auch wol mancher bleiben muß. Als vor kurzem der berühmte Paracelsus Gompel von seinem Gegner nicht ritter­mässig erlegt, sondern auf gut irokesisch so war zerstümmelt worden, daß er vor aller Welt Augen, Glied bey Glied, dalag; konnten seiner gleichwol drey Nachtwächter nicht Herr werden, so gewaltig spükt er, und schrie immer dabey: Ich bin aber doch nicht erlegt! ich bin nicht erlegt, sage ich! Endlich riefen sie einen ganz jungen Kritikbeflissenen zu Hülfe, der eben erst aus dem Neste geflogen war. Der verstand's anders, und schafte den armen Gompel auf der Stelle fort. Wenn er nun noch bis­weilen wiederkomt, so trit er ganz leise auf, und fragt, sobald er die Hör­ner hört, immer erst, eh er weiter schleicht: Ist der Beflissene auch von der Geselschaft?

 

 

Von der Entdeckung und der Erfindung.

 

Entdecker bekommen das Eichenblatt.

L. G.

Da besonders auch dadurch das Beste der Republik geför­dert wird, daß ...

   Auch die gehören zu den Entdeckern, welche die wahr geglaubte Er­fahrung als falsch zeigen.

 

2

Erfindern wird der Hügel gegeben.

L. G.

Die Ehrerbietung, die man den Erfindern schuldig ist ...

L. G.

Erfindung hat Augen, Fund ertapts ...

   Da besonders auch dadurch und: Die Ehrerbietung, die man sind schon von 1645. So früh sind uns Entdecker und Erfinder wichtig gewesen; und gleichwol scheint noch jezt die Kentnis dessen, was einer Nation Ehre macht, bey unsern Grossen sehr eingeschränkt zu seyn. Und wer kann wissen, wie lange ihnen diese altfränkische Den­kungsart noch ankleben wird.

 

3

Wenn die Entdeckung und die Erfindung von Umfange der Schwierigkeit und des Nuzens ist, so wird dem Entdecker der Hügel, und dem Erfinder ausser dem Hügel Blatt und Eichel gegeben.

L.G.

Keiner hat gerechtere Ansprüche auf die höchsten Belonungen ...

L. G.

Nicht die blosse Ausbildung, sondern die wirkliche Er­weiterung der Wissenschaften ...

 

4

Wenn ein Knecht darthun kann, daß Entdeckung oder Erfindung einem andern zugehöre, so wird er frey gelassen.

L. G.

Solte etwa ein Knecht wider alles Vermuten ...

   Nichts ist ungerechter, als eines Andern Erfindung für seine eigne aus­zugeben. Deswegen sind selbst die Knechte gegen solche Räuber aufge­boten worden.

 

 

Von den Mäcenaten.

 

Vorbericht.

Selbst ein Mäcen, ein Unterstüzer der Wissenschaften, welcher dem römi­schen gleicht, und nicht bloß sein Nachäffer ist, kann das nicht thun, was Martial in jenen kriechenden Versen an Flaccus schrieb: Wenn nur Mäcene sind, so wird's an Maronen nicht fehlen. Selbst dein Dorf wird dir einenVirgil geben.Was können nun vollends Mäcenate thun? und was haben sie gethan? Doch sie lassen wir in Ruh und Frieden der Ehre geniessen, mit der sie nun so fürlieb nehmen wollen; unsre Geseze gehen nur diejenigen unter uns an, die schwach­köpfig oder niedrig genung sind, Mäcenate als Mäcene zu verehren.

 

1

Nimt sich's einer heraus, ohne Anfrage bey Zunft oder Volke, irgend jemanden einen Mäcen zu nennen, der ein Band hat oder keins, einen Kragen oder keinen, der ein Altfranke ist, oder einer unsrer lauen Mit­bürger, aber der weder Macht noch Kopfs genung hat ein Mäcen zu seyn; so komt er so oft, und jedesmal auf drey Tage, entweder unter das Volk, oder unter den Pöbel, als ihm es ein andrer nachspricht, und gegen den Mann, der mäcenirt ist worden, den grossen Namen misbraucht. Wird’s ihm zum zwanzigstenmale nachgesprochen, so muß er bleiben, wo er dann eben hingekommen ist.

L.G.

Möchte sich doch die Asche Mäcens in ihrer Urne bewe­gen ... In der Rolle steht noch dieses: Noth thuts, daß wir sie so gar verschiedentlich benennen. Einer von altem römischen Gepräge heisse denn: ein Mäcen; und einer von neuerem Schlage, ein Ehrenpfennig heisse: ein Mäcenat.

 

2

Schmeichelt jemand einem Mäcenaten dergestalt, daß diesem sogar da­vor ekelt; so wird er auf drey Tage unter die Nachtwächter gebracht.

L. G.

Wo einer, es sey schriftlich oder mündlich, dem Mäcena­ten so unmässiglich räuchert, daß diesem schlimm darob wird, und er endlich die Nase zuhalten muß; so ...

 

3

Führt jemand einen guten Jüngling zu einem Mäcenaten, daß er dem­selben Büklinge mache, und seine Worte noch für etwas mehr als Worte nehme; so wird er auf so viel Tage Landes verwiesen, als der arme junge Mensch Büklinge gemacht hat. Da es manchmal Schwierigkeiten haben könte, die Zahl der Büklinge genau anzugeben; so werden, bey verschied­ner Aussage des Führers und des Geführten, zwanzig in Rechnung ge­bracht.

L. G.

Oberschranzen und Unterschranzen, Irwische und Stern­schnupfen, und dergleichen; Masken, und was sie in die Hand schreiben, Versprechen und Halten, und derglei­chen ...

   Einige wolten bey der erwähnten Verschiedenheit der Aussagen hun­dert Büklinge annehmen; allein sie liessen sich doch von ihrer Meinung abbringen, als man ihnen vorstelte, daß die kleinen halbvollendeten Bük­linge, deren doch bey solchen Anlässen nicht wenige vorfielen, bloß als Zwischenspiele anzusehn, und daher nicht mit zu zählen wären.

 

4

Wer Mäcenaten edle Ehrbegierde Schuld giebt, wird als ein Verunglimpfer ihres guten Namens angesehn, und gleich allen Afterrednern der Polizey übergeben.

L. G.

Dürfte Schuz der Geseze irgend jemanden verweigert wer­den; so fände solche Verweigerung bey etwanigen Klagen der Mäcenatschaften wol am ersten statt ...

   Wie oft urtheilt man nicht von Sachen, von denen man doch nicht weiß, wie es damit zusammenhängt. Wir befürchten, daß die angeführte Rolle solche Urtheilerey veranlassen werde. Wir müssen also sagen, wie sie entstanden ist. Ein Mäcenat gab wider einen seiner Hofierer eine Klage ein, daß ihm dieser auf eine ehrenrührige Weise Stolz beygemessen habe; und der Hofierer hatte doch weiter nichts gethan, als in einem langen Abschnitte von der edlen Ehrbegierde eine nicht viel kürzere An­wendung auf den Mäcenaten gemacht. Man that dem Mäcenaten Vor­stellung über die eigentliche Beschaffenheit der Sache; da er aber gar nicht hören wolte, und über versagte Gerechtigkeit immer lauter wurde: so konte man ihm zwar wol keine Genungthuung verschaffen; denn nach welchen Geseze hätte man den Hofierer bestrafen können? aber man sah sich doch durch den Vorfall genötigt, das Gesez, wovon wir reden, zu geben. Der Mäcenat äusserte viel Zufriedenheit darüber, und schien völlig besänftigt zu seyn, als er den Landtag verließ. Komm mir nun nur wieder! mochte er denken.

   Nur denen, die noch nicht lange in der Welt gelebt, oder auf nichts, was darinn vorgeht, Achtung gegeben haben, ist es unbekant, daß solche Begebenheiten sich wirklich zuzutragen pflegen.

 

5

Derjenige Mäcenat, der den Unfug einsieht, welcher dadurch entstanden ist, daß er sich die bekanten Körner hat streuen lassen, und der dabey erklärt, er sey dergleichen gelehrte Dienerschaft nicht ferner zu dulden gesonnen, kann in die Republik, und also nach vorgängiger Untersuchung der Aldermänner entweder unter das Volk, oder in eine Zunft aufgenom­men werden. Würd er aber weder hier noch dort der Aufname würdig befunden; so wird ihm gleichwol nicht zugelassen sich unter den Pöbel zu begeben. Denn wie wenig Ansehn er unter wahren Kennern von Per­sonen und Sachen auch immer gehabt haben mag; so geziemt es sich doch nicht, daß ein gewesener Mäcenat unter dem Pöbel herumwandre, und wenn er auf einem Landtage etwas vorzubringen hat, sich bey dem Schreyer in Gunst sezen müsse, daß der es bekannt mache.

L. G.

Unerachtet aller Heg‑ und Pflegung der Zuschriftsverbeu­gungen, Knechtlichkeiten, und Kriechereyen, der sich etwa ein weiland Mäcenat möge schuldig gemacht haben ...

 

 

Von der Ehre, die keine Ehre ist.

 

An denen die Verdienste haben, aber doch schwach genung sind, sich aus dem Beyfalle derer etwas zu machen, die keinen geben können, wird diese Schwachheit dadurch bestraft, daß es ihnen mit vorzüglicher Stren­ge, und beynah mit Härte erschwert wird die Belonungen der Republik zu erhalten.

L. G.

Weil mit nichten können loben, und auch nicht tadlen, die da sind Nachsager, Angaffer, Wizhaftige, Schwäzer in Zu­sammenkünften und Büchern, Mäcenate, Schranzen, Ausschreiber, Abconterfeyer, Meisterer, Pfuscher, Theorey­klauber, Bänkelsänger, Schemelrichter, und wer sonst noch dieses Gelichters, Geschmeisses, und Gezüchts seyn mag, kurz die Narren, Thoren und Gäuche samt und sonders, von denen Luther sagt: Bist du der Haar, Lieber, so greif dir an deine Ohren, und greifest du recht, so wirst du fin­den ein schön Paar grosser langer rauher Ohren; und wage dann vollends die Kost daran, und schmücke sie mit güld­nen Schellen, auf daß, wo du gehest, man dich hören kön­ne, mit Fingern auf dich weisen, und sagen: Sehet, sehet, da geht das feine Thier, das so treflich kann Ehre geben, und Ehre nehmen. Magst dann mit den Schellen läuten, oder auch, behaget dir dieses baß, auf der Lauten schlagen allerley Sudeley etlichen zum Lobe, und allerley Hudeley etlichen zum Tadel .. so haben wir zu Förderung ächter Ehr, und damit diese Kron, Juweel und Kleinod gelehrter Leute nicht unter die Bank gerathe, diensam zu seyn er­achtet, daß ...

   Dieß Gesez ist aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, nämlich von dem Landtage 1652. Es ist sehr zu vermuten, daß es auf dem nächsten Landtage werde abgeschafft werden, weil es auf unsre Zeiten nicht past und daher überfliessig ist. Gleichwol haben wir nicht unterlassen wolle es mit anzuführen, weil man denn doch allerhand gute Betrachtunge über das anstellen kann, was zu den Zeiten unsrer Vorfahren etwa nüzlich, oder wol gar notwendig gewesen ist.

 

2

Wird jemand ertapt, daß er einem Ausrufer Eigenlob mit noch etwas dabey in die Hand gedrükt, und sich also selbst ausgerufen habe; so wird er der Polizey übergeben, die ihn dann den Umständen gemäß, nach­dem nämlich der Ausruf laut oder leise gewesen ist, lange oder kurze Zeit gewährt hat, schon abstrafen wird.

L. G.

Da solch Eigenlob, welches einer durch eines Andern Schlund und Maul gehen läst, so unsäglich stinkt, daß ...

   Wir sind einige Zeit bey uns angestanden, ob wir dieß Gesez mit an­führen wolten. Wir dachten nämlich, es könte der Ehre der Republik nachtheilig seyn, wenn wir einen so schlimmen Schaden aufdekten, als der ist, zu dessen Heilung sich hier die Gesezgeber haben herunter lassen müssen; allein bey reiferer Erwägung der Sache fanden wir, daß es denn doch billige Männer, und solten sie selbst Altfranken seyn, der Re­publik nicht würden zu Schulden kommen lassen, wenn sie etwa ein Paar solcher reudiger Mitbürger hätte. Ist doch wol vielfachere und grös­sere Reudigkeit unter denen vorhanden, welche, mit einem der feinsten Töne der sogenanten grossen Welt, das gleich von allen Gelehrten be­haupten, weswegen doch nur einige wenige unter ihnen Vorwürfe verdienen.

 

3

Diejenigen die einander öffentlich, wiederholt, und so loben, daß man siehet, der eine wolle immer wieder haben, und bekomme auch wieder, was er gegeben hat, machen sich dadurch unwürdig, daß ihnen Denk­male gesezt werden.

L. G.

Wechseln ihrer zwey mit solcher Hize Lob gegen einander, daß immer Schuß auf Schuß geschieht, und es sich also zulezt fügt, wie es sich fügen muste, nämlich daß sie beyde auf dem Plaze bleiben; so kann sie zwar in der Stille beweinen wer da will: aber Niemand darf solchen der wah­ren Ehre verlustigen Leuten ...

 

4

Wer seinem Buche in der Vorrede liebkoset, solt er auch diesen Weg des Selbstlobes mit noch so leisen Tritten gehn, kann in zwey Jahren, wenn er unter dem Volke ist, auf keine Zunft kommen; und ist er ein Zünfter, in eben so langer Zeit nicht Anwald werden. Aldermann wird er niemals. L. G.

Wär es, daß man die Vorreden ganz und gar abschaffen, und also das Übel mit Strumpf und Stiel ausrotten könte; so ...

 

 

Von den geadelten Gelehrten.

 

Die Annehmung eines Adelnamens macht, wenn man ihn zwar nicht ge­sucht, aber auch nicht abgelehnt hat, der Belonungen der Republik ver­lustig: hat man ihn aber gesucht, so ist und bleibt man überdieses auch zeitlebens unzünftig.

L. G.

Wie auch der Federhut zu dem Degen, und zu dem, was sonst noch dorthin gehört, etwa passen möge; so schicken sich doch die Feder auf dem Hute wenigstens die neuge­rupfte und die in der Hand so wenig zusammen, daß ...

   Vom Landtage 1757. Bey diesem Geseze ist, nach unsrer Meinung, zweyerley merkwürdig, erst, daß es nicht schon vor langer Zeit ist gege­ben worden; und dann, daß es, da es endlich gegeben wurde, so schwer durchging. Nur Eine Stimme Mehrheit gab den Ausschlag.

 

 

Von den Literaturschulen.

 

Glaubet ein Kunstrichter, daß er eine Literaturschule stiften könne, wenn er ein Häufchen oder einen Haufen Kunstrichter um sich versamle, und zu ihnen sage: Wir wollen eine Schule seyn: so werden sie, der Stifter durch den Rümpfer, und die Gestifteten durch den Lautlacher bestraft.

L. G.

Weil nach Einführung mancher Misbräuche, und Beglaubi­gung vieler Irsale, oben ein auch noch Schulhalter und Schulknaben aufgekommen sind; so ...

   Die Veranlassung zu diesem Geseze war folgende: Etliche Kritiker hat­ten davon gehört, daß man die Maler in Schulen absonderte, als: in die römische, die venetianische; da dachten sie, sie müsten auch aus ver­schiednen Schulen bestehn, und vergassen dabey zu überlegen, daß nicht die Beurtheller der Maler, sondern die Maler selbst die Schule ausmach­ten.

 

 

Von der Freylassung.

 

Wenn ein Knecht sein Geschriebnes bis auf ein Stük oder zwey vor der Landgemeine öffentlich verbrent, so wird er nach dem übriggelasnen beurtheilt, und kann den nächsten Landtag frey werden.

L. G.

Obgleich lange Knechtschaft ...

 

2

Wenn ein Knecht durch Nachahmung eines andern Knechts zwiefach ein Knecht wird; so ist er auf Jahr und Tag zur Freylassung unfähig.

L. G.

Allzugrossem Verfalle vorzubeugen ...

   Ist von 1652. Es ging zwar beynah mit allen Stimmen durch; aber leider ist auf den folgenden Landtagen nicht sonderlich darüber gehalten worden.

   Die Knechte von der Zwitterart, die nämlich, welche halb nachahmen, und halb ausschreiben, (das Völkchen ist jezt nicht klein!) sind noch unter den zwiefachen. Wir haben des Gesezes oder vielmehr der Polizeyverordnung die erste Art betreffend nicht erwähnt, weil wir nach dem Befehle der Aldermänner nur die nothwendigsten Geseze bekant machen solten. Es ist hier übrigens noch nachzuholen, daß zwiefache Knechte, und Knechte von der Zwitterart nicht zünftig sind.

   Auf dem Landtage 1757 wurde von einigen nur erst vor kurzem freygelasnen Knechten in Vorschlag gebracht: Den zwiefachen Knecht zur Freylassung gänzlich unfähig zu erklären. Aber die Republik hat, nach ihrer weisen Gelindigkeit, das alte Gesez behalten, und zugleich das neue gegeben, daß kein gewesener Knecht vor Verlauf eines Jah­res etwas bey der Landgemeine in Vorschlag bringen kön­ne.

 

3

Wenn ein Knecht einen streitsüchtigen Freyen im Zweykampf erlegt, so wird er freygelassen.

L. G.

Den Knechten desto mehr Thüren und Thore zu öfnen ...

Auf dem Landtage 1698 traten die Knechte zusammen, und baten um Einführung dieses Gesezes. Beym ersten Anblicke scheint es, daß die Streitigkeiten dadurch gebilliget werden; aber bey genauerer Unter­suchung findet man, daß, da Streitigkeiten einmal ein Übel sind, welches nicht völlig abgeschaft werden kann, es der Weisheit der Gesezgeber ge­mäß war, ihnen dadurch von ihrem Reize etwas zu benehmen, daß sie oft durch Knechte geführt würden: und überdieß war es auch gut, daß ein Weg mehr da wäre zur Freylassung zu gelangen.

 

 

Von den Ankündigern und Ausrufern.

 

1

Die Ausrufer können bey dem Anlasse, da sie neue Bücher anzeigen, ihre Stimme als Mitbürger geben. Dünket ihnen aber, daß sie deswegen, weil sie Ausrufer sind, mehr als Eine Stimme haben, so müssen sie sich ent­weder damit entschuldigen, daß sie zu der Zeit, da sie diese Meinung von mehr als Einer Stimme hegten und äusserten, krank gewesen seyn, oder sie werden zum Hohngelächter verurtheilt.

L. G.

Da allerley Wahn, Dünkel, und Schwindel obwaltet, als wenn . . .

 

2

Verharren die Ausrufer bey ihrer Meinung, so fragt sie der Aldermann: Wie viel Stimmen denn mehr als Eine ? und nachdem sie eine Zahl genant haben, so werden sie eben so viel Jahre Landes verwiesen.

L. G.

Da die Leute oft mehr als Einen Sparren zu viel ...

 

3

Wenn ein solcher Ausrufer von der Landesverweisung zurük gekommen ist, so wird er noch Jahr und Tag Aufwärter bey den Nachtwächtern, und ihm liegt ob, den Nachtwächtern das Horn rein zu halten, damit es gut blase, und er in Zeiten damit umgehen lerne. Denn künftig, wenn er wieder Ausrufer ist, muß er, wenn er sein Ausrufungsgeschäft verrichtet, von Zeit zu Zeit dabey ins Hörn stossen.

L. G.

Es ist nicht ohne, daß die Gesezgeber gegen eingewurzelte und hartnäckige Schäden . . .

   Zu diesem Blasen wird unter andern erfordert, daß sie nicht durchgehends: Ich, oder Wir hören lassen, sondern wenigstens Einmal die Kritik an ihre Stelle unterschieben. Dieser Unterschub der Kritik ist eine ausdrükliche Bedingung, die sie nothwendig eingehn müssen, eh sie ins Land zurük kommen dürfen.

 

4

Solte ein Ausrufer des Umstandes, daß der Landtag noch entfernt ist, zu sehr misbrauchen, und mit den vielen Stimmen, die er zu haben glaubt, zu laut schreyen, so warne ihn Jeder, der es gut mit den Unmündigen meint, die der Ausrufer etwa irre führen könte, und gebe ihm zu verste­hen, daß denn doch endlich gewiß Landgemeine gehalten werde. Wer dieß thut hat Belonung von den Aldermannern zu erwarten.

L. G.

Auch gute Handlungen, die in den Gesezen nicht benant sind . . .

 

5

Thut ein Ausrufer Einen schiefen Ausruf, und Einen spizfindigen, und Einen gar unwissenden, und Einen allzuplauderhaften, und bricht er die Ursachen des Tadels oder des Lobes, das er in dem Ausrufe vorbringt, offenbar vom Zaune; und geschieht dieses so ununterbrochen, daß er dazwischen nicht Einmal gewissermaassen zur Vernunft komt; so wird er auf fünf Jahre stimmenlos.

L. G.

Wo ein solcher, der sich vor aller  Welt  Ohren ins Beurtheilen mischet, bis dahin geriethe, daß er die ganze Runde der Abgeschmaktheit machte ...

   Wir finden in den Jahrbüchern keine Spur, wie es zugegangen ist, daß die gemischte Zunft mit diesem doch wirklich allzugelinden Geseze hat durchdringen können. Man stelle sich vor, was alles bey einander seyn müsse, eh man straffällig wird; und man wird die übertriebne Gelindigkeit des Gesezes zugestehn.

   Es ist von dem Landtage 1745. Den folgenden Landtag suchte sich ein Angeklagter in völligem Ernste, und mit grosser Hartnäckigkeit auf diese Art zu retten: Nach dem Geseze, besteht die bekante Runde, die in dem­selben mit einem so widrigen Ausdrucke beschrieben wird, darinn, daß erst ein schiefer Ausruf geschehe, hernach ein spizfindiger, ferner ein gar unwissender, dann ein allzuplauderhafter, und hierauf endlich die Ur­sachen vom Zaune gebrochen werden. Nun berufe ich mich auf alle, die meine Blätter gelesen haben, und wer hat sie nicht gelesen? ob ich nicht gerade das Gegentheil von dem thue, was in dem Geseze steht. Fange ich etwa schief an? Beym Zaune fang ich an! Dann schreite ich (man erlaube mir die etwas härtlichen Ausdrücke des Gesezes ein wenig zu mildern; dieß wird demselben nicht zum Nachtheile gesagt; denn wer hat wol mehr Ehrfurcht gegen die Geseze als ich habe? ich schreite dann zu einer gewissen angenehmen Redseligkeit fort; hierauf fält denn wol ein Ausruf vor, in dem etwa ein Wort der Unwissenheit stehn mag; wer kann aber auch alles wissen, was andre Leute wissen? Nach diesem begebe ich mich mitten in das Verfeinerte hinein. Denn verfeinert, was soll's zu vieler Be­scheidenheit? bin ich in hohem Grade! Und endlich komt bey mir erst das, was die Rolle schief, ich aber kühne Wendung des kritischen Genies nenne. Ist das nun die Runde, von der das Gesez redet? Mache ich nicht vielmehr die meinige in der entgegengesezten Ordnung? Zu geschweigen, daß ich, auch in andrer Betrachtung, mehrbemeldete Runde nicht mache. Ich habe es durch meine gemilderten Ausdrücke zur Gnüge dargethan, wie unschuldig ich, auch von dieser Seite, bin! Kurz, denn was braucht es bey einer so klaren Sache viel Worte? ich wolte mir die Stimmenlosigkeit, mit der man mir drohet, gar sehr verbeten haben!

   Man siehet, dieser Mann irte besonders auch darinn, daß er sich vorstelte, es müste in der Runde immer alles in einer gewissen Ordnung auf einander folgen, und nicht in Erwägung zog, daß es dabey nur darauf an­käme, daß das, das zur Runde gehörte, durch nichts anders unterbrochen würde.

 

6

Es giebt einen Fall, in welchem den Ausrufern völlige Gesezlosigkeit es ist hier von den sie angehenden Gesezen die Rede) zugestanden wird. Der Fall ist, wenn sich Jemand so sehr erniedrigt, daß er einen Ausrufer in der Absicht lobt, um, wo nicht Gegenlob, doch Mässigung beym Ta­deln von ihm zu erbetteln. Dieser wird dann allen Ausrufern, die um Gesezlosigkeit ansuchen, und sie erhalten (sie erhalten sie aber allzeit) Preis gegeben.

L. G.

Los und ledig von allem, was ihnen bey ihren Verrichtun­gen obliegt, müssen die Ausrufer Nothdurft halben seyn, so bald Jemand für achtfällig und vogelfrey zu erklären ist. Denn so traurig es auch immer seyn mag, Gesezlosig­keit gestatten zu müssen; so würde doch auch auf der an­dern Seite der Vogelfreye, ohne die mächtige Beyhülfe der Ausrufer, wie ungestraft herum wandern, und er würde also . . .

   Einige waren Anfangs dafür, daß man Vogelfreye dem Hohnlacher und seines gleichen, andre, daß man sie dem Schreyer und seines gleichen überlassen solte; zulezt aber wurde, aus vielen und gewiß sehr guten Ur­sachen, beschlossen, daß man diejenigen Ausrufer, die um Gesezlosig­keit ansuchen würden, auf die Vogelfreyen loslassen wolte.

   Man sieht von selbst, daß hier von ehrbaren Ausrufern die Rede nicht ist. Denn diese werden sich wol hüten, um Gesezlosigkeit anzuhalten. Aber die jungen Kritikbeflissenen, die eben erst Ausrufer geworder sind, sezen sich leicht über solche Bedenklichkeiten weg; und weil man ihnen dieß mit Recht zutraute, so wählte man den Hohnlacher und der Schreyer nicht.

 

7

Wenn sich ein Freyer oder ein Edler gegen einen Ausrufer öffentlich vertheidigt, so büst ers durch Runzel und Lächeln.

L.G.

Da zur rechten Zählung,  Messung, und Wägung mehr als eine Zusammenkunft der Landgemeine ...

 

8

Vertheidigt sich ein Knecht, so läst mans hingehen, und ahndet es nicht.

L. G.

Gemeines Handgemenge und Faustrecht ...

   Die Neuheit der Geseze von den Ankündigern und Ausrufern erhelt aus ihrem Inhalte. Aldermann Ekhard (künftig mehr von ihm) that sich bey Gebung des ersten durch die bekante, aber oft sehr falsch abgeschriebne Rede hervor, die anfängt: Mir geht es nicht etwa wie Burinams Thiere zwischen den beyden Heuhaufen; mir geht es so gar wie einem Ausrufer, wenn er gestiefelt und gespornt in den grossen Stall seiner sämtlichen Steckenpferde trit, und ganz und gar nicht mit sich einig werden kann, welches er reiten will: Ob es der Scheckichte seyn soll? ob der Windgleiche? der Langgeschweifte? ob der Tap­pende? der Einäugige? oder wie sie sonst noch heissen mögen. Er pfeift, er trillert, er klatscht; und immer kann er noch nicht zu Pferde kommen ... Wir hoffen diese Rede ehestens nach einer richtigem Hand­schrift herausgeben zu können.

 

 

Von Völlerey und Trunkenheit.

 

1

Wer sich in einer ausländischen Schrift berauscht hat, es sey Wein oder Weingeist darinn gewesen, sie sey kühl hinuntergegangen, oder sie habe geraucht, und taumelnd von ihr auf der Gasse herumwankt, und laut schreyt, (murmeln kann er wie er will,) daß er diese Schrift allen deut­schen Schriften vorziehe, über dem rufe man gleich auf der Stelle, und ohne alle Säumnis: Jo Duthe! und stosse ihn, ohne Aldermänner und Herold abzuwarten, über die Gränzen hinaus.

L. G.

Der Trunkne muß wie der Nüchterne ...

1733 vorgeschlagen von der Zunft der Wisser. Es war ihr damaliger Anwald, der Urenkel des treu'n Ekhards, der die Sache vornämlich betrieb. Weil wir den zu haltenden Landtag nun endlich sehr nahe glauben; so hoffen wir auch, daß dieser gute Greis noch darauf erscheinen werde. Er machte uns auf dem lezten Landtage sehr angenehme Abende. Für die Kenner gewisser Sachen sagt er viel mehr, als er zu sagen scheint. Er trieft recht von deutschen Sprichwörtern, besonders, wenn er Ekharde erzählt. So nent man diejenigen seiner Erzählungen, in welchen sein Urältervater der treu' Ekhard vorkomt.

 

2

Wer, ob er gleich zu Hause bleibt, und nur murmelt, sich täglich in den Schriften der neuen Sophisten, zum Exempel Voltairens und seiner Säug­linge besäuft, und zwar dermaassen, daß er fünf bis sechsmal beym Stule liegend und den Rausch ausschlafend gefunden worden ist, der wird bey den Nachtwächtern auf Gnade und Ungnade eingesperrt, und ihm seines gewönlichen Gesöfs, wie auch Papiers zum Speyen, so viel er will, ge­lassen.

L. G.

Zur Steurung allzugrosser und anhaltender Völlerey, und damit nicht unter den Altfranken durch die Unthaten Ver­standes und Ehrvergesner Trunkenbolde ...

   Auf dem Landtage 1745 von der Zunft der Weltweisen vorgeschlagen. 1757 ließ die Zunft das Gesez aufrollen, und: Voltairens und seiner Säuglinge, an den Rand schreiben.

 

 

Von den jungen Gelehrten.

 

1

Ist eines jungen Gelehrten erster Auftritt in den Geschäften, oder auf dem Lehrstule mit Stolze begleitet; so darf er binnen Jahres Frist auf keine Belonungen der Republik hoffen.

L. G.

Ziemte Bescheidenheit minder Jung und Alt, Jung insonders, und war sie nicht deutscher Art und Eigenschaft son­derlich gemäß; so ...

   Die Gesezgeber müssen sich bekantlich nach dem Character der Na­tion richten, für welche die Geseze bestirnt sind. Daß dieß, in Betracht des eben angeführten Gesezes, gut beobachtet sey, werden wenigstens die unverfeinerten Deutschen einsehn, die hier aus der Erfahrung noch mitsprechen können. War es in der französischen oder englischen Ge­lehrtenrepublik gegeben worden; so würd es von der Weisheit der Gesezgeber gar nachtheilige Begriffe erwecken. Denn dort (es versteht sich, daß einige Ausnamen zugestanden werden) würd es eine barbarische Strenge haben, und übermenschliche Dinge fodern.

Glüklicher Staat, der solche Geseze haben kann, hat, und darüber hält. Hochverrath kann wider ihn begangen, seine Majestät kann beleidigt werden: aber seine Grundfesten bleiben unerschüttert.

 

2

Steiget bey einem Jünglinge der Stolz so hoch, oder ist er (denn man kann nicht recht wissen, wie es hier eigentlich mit ihm bewandt ist) so über­trieben demütig, daß er eine erste Schrift dennoch herausgiebt, ob sie gleich nichts, als geruchlose Blüthe hat, und nirgends auch nur eine saure Frucht zeigt; so ist er desfalls auf Jahr und Tag unzünftig.

L. G.

Wer's in Meisterwerken so wenig ausspäht, worauf es an­kömt, und sich mit Gesellenarbeit (alle, auch die zierlich­sten Schwäzer sind Gesellen) noch dergestalt gütlich thut, daß er ...

 

3

Hat ein Jüngling, den die Denkmale nicht schlafen lassen, welche länger als Erz dauern, seine erste Schrift mit feuriger Unruh, und lauten Herz­schlägen gearbeitet, aber sie gleichwol, ohne eine Thräne dabey zu vergiessen, ins Feuer geworfen; so bekomt er das Eichenblatt, wenn er auch noch kein Zünfter ist.

L. G.

Merkzeichen, welche den künftigen grossen Schreiber wit­tern lassen ...

 

4

Entdekt Jemand einen Jüngling, der, unter der Last der äusserlichen Um­stände, oder der Bescheidenheit erliegend, völlig unbekant ist, aber Ga­ben hat; so erhält er das Eichenblatt, und dereinst ein Denkmal bey dem Denkmale des Entdekten, wenn dieser bis dahin gelangt.

L. G.

Patriotische Sinnesart, die mit Scharfsicht vereinigt ist ...

 

 

Von handwerksmässigen Gesinnungen.

 

1

Einem Gelehrten, der bloß das lernt, was er zum Amte notwendig braucht, ist es nicht um die Wissenschaften zu thun, und er ist daher unfähig die Belonungen der Republik zu erhalten.

L. G.

Kümmerlicher Behelf mit nur eben so vielem aus den Wis­senschaften, als zur Verwaltung eines Amtes alsdann zu­reicht, wann man allein Brodterwerbs halben sein war­tet ...

 

2

Die niedrige Denkungsart, nicht zulassen zu wollen, daß einer in mehr als Einer Wissenschaft vortreflich sey, wird an dem, der sie in öffentlichen Urtheilen zu erkennen giebt, dadurch gestraft, daß er kein Zünfter wer­den kann, oder, ist er einer, aus der Zunft gestossen wird.

L. G.

Einer zeigt sich etwa so in einer Wissenschaft, daß selbst seine Neider müssen eingestehn, er habe Haare auf den Zähnen. Darauf begiebt er sich auch wol in eine andre Wissenschaft hinein, und arbeitet in selbiger; da treten denn straks Leute auf, rufen, und schelten: Glattkinn! Glattkinn! Und dieß Gerufe und Gescheite treiben sie nicht deswegen, weil sie's aus der Beschaffenheit der neuen Ar­beit darthun können, daß der es verdiene, der selbige un­ternommen hat; sondern weil sie eine verwachsene Seele haben, und daher auf keine Weise zulassen und dulden wollen, daß einer in mehr als Einer Sache, (denn es ist ihnen schon gar widrig, daß es in Einer geschehn ist) sich hervorthue. Wie sehr nun auch diese Niederträchtigkeit nicht nur in unsrer Heimath, sondern auch unter den Aus­ländern möge eingerissen seyn; so lassen wir doch die Hän­de nicht sinken, sondern, damit sie mindstens nicht gar zu schamlos ihr Haupt empor tragen könne, und denjeni­gen vor ändern gesteuert werde, die keine Wissenschaft eigentlich recht angeht, und die doch bey solchen Anlässen am redseligsten sind; so sezen und ordnen wir, daß ...

   Wir sind die Jahrbücher von der Zeit an, da dieß Gesez ist gegeben worden, (es ist vom vorigen Jahrhunderte) genau durchgegangen, und haben gefunden, daß man auf jedem Landtage mit Strenge darüber ge­halten hat; und gleichwol .. doch in keinem Staate können es ja die Geseze allein thun; die guten Sitten müssen hinzukommen, und den Gesezen beystehen. Wir können, ohne im geringsten zu vergrössern, sagen, daß die guten Sitten in unsrer Republik viel Einfluß haben; aber was diese Scheelsucht anbetrift, wider welche das angeführte Gesez gegeben ist; so kann nicht geleugnet werden, daß es mit dem Einflusse nicht so recht fort wolle.

   Die Überlegenheit, welche die deutschen Gelehrten durch ihre Bescheidenheit über die Gelehrten andrer Völker lange gehabt haben, und haben, würde um einen viel entscheidenden Grad steigen; wenn sie aufhören wollen, sich ihnen, in Betracht jener Scheelsucht, gleich zu stellen.

 

 

Von den Ausschreibern.

 

1

Wer Andre ausschreibt, und sie nent, muß gleichwol Rechenschaft geben, warum er ausgeschrieben habe. Sind die Ursachen, die er anführt, nicht gut; (und beynah niemals können sie es seyn) so wird er auf ein Jahr Nachtwächter.

L. G.

Damit der Vervielfältigung und selbst der Verdickung der Bücher, als woraus seit langer Zeit so vieles der Ehre dt Republik nachtheiliges gekommen ist, gleichwol in etwas gewehret werde; so ...

 

2.

Wer Andre, ohne sie zu nennen, ausschreibt, wird der nur nicht völlig willkürlichen Verurtheilung des Fünfergerichts überlassen.

L. G.

Tempelraub ists  zwar eben nicht, wenn einer den andern ausschreibt,  weil  so manche  Bücher  mit  nichten  Tempel sind, wol aber Strohhütten und Marktschreyerbuden . . .

   Das Fünfergericht ist eine Art Untergericht, das gewönlich nur aus fünf Mitgliedern besteht, und bey jedem Vorfalle, wo man eins braucht von neuem ernant wird. Der Schreyer hat oft den Vorsitz darinn. Denn noch allen Schreyern hat diese Ernennung so wol gethan, daß sie ein beynah unfehlbares Mittel gewesen ist, sie auf einige Tage zu schwichtigen.

 

 

Von den Denkmalen.

 

1

Ein Freund kann einem Freunde wol ein Denkmal in oder ausser dem Haine sezen, wo wir die Landtage halten; er muß sich´s aber auch gefallen lassen, daß bey vorhandnen guten Ursachen das Denkmal wieder weggenommen werde.

L.G.

Mag´s doch gestattet werden, daß ein tüchtiger Mann, wol verstanden, er sey ein Zünfter oder der Aldermänner einer, seze einem andern einen Denkstein, der Zier habe, oder einfältiglich gehauen sey. Fügt sich´s aber hernachmals, wenn ein Zehend Jahre dahin ist, daß kein Mensch deß mehr kenne, dem das Steinlein ward, und die Zeit hab also einen Spruch gesprochen wol so streng, als die alten Ägypter pflegten über die Todten zu sprechen: so lasset ihr das Denkzeichen zerschlagen, und die Stück aus´n ander werfen. Denn ein einzelner Mann mag wol dieß oder das, kleines oder grosses, tiefes oder hohes von `nem andern einzelnen Manne meinen und halten; aber die Zeit, das ist so viel, als `ne ganze Reih und Folge Männer, die sich auch auf die Wagschal verstehn, und des Züngleins Bewegung genau beobachten, fährt doch besser durch, wenn´s Entscheidung gilt, würde wol Sandkörnlein wägen, geschweige denn gröblichen Fehl und Misgestalt. Daher, solt auch derjenig, so das Denkzeichen oder Maal hat aufgerichtet, bitterlich drob weinen; so muß doch mit dessen Zertrümmerung und Zerstörung ...

 

2

Ein Denkmal, das ein Zunft gesezt hat, kann nicht weggenommen werden; aber keine Zunft darf auch einem ihrer Mitglieder ein Denkmal sezen. Derjenige, dem diese Ehre wiederfährt, muß auf einer andern Zunft, oder ein Aldermann seyn. Sollte eine Zunft es wagen, ein solches Denkmal machen zu lassen; so darf es nicht errichtet werden, und die Zunft wird auf fünf Tage stimmenlos.

L. G.

Geahndet und gerügt muß werden alles, was die Grundfeste der wahren Ehre erschüttert. Würd also ein partheyischer Freund durch List und Ränke, Vorspieglung und Täuschung, Lug und Trug, Helfer und Helfershelfer, auf einer Zunft so viel vermögen, daß er ...

   Von dem Landtage 1652. Es herschte damals grosse und unverholne Eifersucht unter den Zünften. In den Jahrbüchern steht viel Denkwür­diges davon. Die Aldermanner haben auf keinem Landtage mit mehr Durchsehung und Kraft von der wahren Ehre geredet, als auf diesem. Man behauptet zwar, daß zu unsern Zeiten nur edle Nacheiferung statt finde; unterdeß könte doch wol auch manch Fünkchen von andrer Beschaffenheit hier und da unter der Asche glimmen.

 

 

Von der Verehrung der Alten und der Ausländer.

 

1

Übertriebne Verehrung gegen die Alten bleibt nur dann ungeahndet, wenn, (wie das gewönlich der Fall ist) gefunden wird, daß sie der Ange­klagte doch nicht kenne, wie viel er auch von ihnen schwaze; kent er sie aber, so ist er, haben ihn die Griechen zu der Sclaverey gebracht, auf zwey Jahre unzünftig; und haben es die Römer, auf drey Jahre.

L. G.

Anstaunung, Maulaufsperre, Fröhnung, und Räucherey, als welche den Geist nur kleinlaut machen, und ihn derge­stalt austroknen und ausdörren, daß er zulezt gänzlich einschrumpfet, dieses alles, wie es auch, in Betreff der Alten, möge beschöniget werden ...

L. G.

So gar das edle Selbstgefühl, welches nicht durch Stolz, sondern durch Kraft entsteht, kann von der so weit ein-gerisnen Abgötterey, welche mit den Alten getrieben wird ...

 

2

Wer die Verehrung gegen die Ausländer zu weit treibt, ist auf fünf Jahre unzünftig.

L. G.

Recht und Gerechtigkeit wird der Deutsche allzeit gegen die Ausländer handhaben; er ist hiezu nur allzugeneigt: aber beständig zum Hofieren in Bereitschaft stehn, wenn sie nur das Maul aufthun, und ihnen da Geist Schuld geben, wo denn doch kaum ...

   Schon auf dem Landtage 1698 gegeben. Es ist dieß der wenigen Wir­kung halben, die das Gesez gehabt hat, zwar unglaublich, aber gleichwol ist's wahr.

 

 

Von der Polytheorie.

 

Der Polytheorist, welcher durch die Wahl,  und den Beweis  seiner Säze zeigt, daß er sich noch zu bemühen habe, ein guter Lehrling zu werden, muß dem Hohnlacher stehn.

L. G.

Nachdem die Polyhistorey völlig abgekommen ist; hingegen an ihrer Statt die Polytheorey immer mehr und mehr einreisset: so sollen, zur Hemmung des neuen Übels, diejenigen, welche Andre in einer Wissenschaft, in der sie kaum buch­stabieren können, zur Redehaltung anleiten wollen, gehalten seyn, daß sie zuvor.. .

   Vom Landtage 1757. Kaum konten die Meister in den Wissenschaften damit durchdringen. Denn das Volk hatte dießmal einige Zünfte mit seinen Meinungen angestekt.

 

 

Von der Todtenfackel.

 

1

Wenn ein Freyer, oder ein Edler, oder gar ein Aldermann sieht, daß seinem Werke die Todtenfackel angezündet werden soll; so hat er die Befugnis, die Stimmensamlung zu hindern, und um Frist bis zu dem nächsten Landtage zu bitten. In dieser ist ihm vergönt, allerhand ihm vortheilhafte Nachrichten von dem Geschmacke einiger unserer Mitbürger zu sammeln, und sie den nächsten Landtag anzuführen. Unterdeß kann ihm dieß nicht viel helfen. Denn die gerechte Republik, Aldermänner, Zünfte, und Volk, hatte nicht ohne Ursache die Anklage wegen der nun nothwendigen Anzündung der Todtenfackel ausgehört. Es kömt also diesmal zur Stimmensamlung, und der Herold ruft:

   Du lebst, aber dein Werk ist todt!

L. G.

Da keinesweges geduldet werden kann, daß uns die Alt­franken oder gar unser Pöbel in Aussprüchen über wichtige Sachen der Republik vorgreifen; und ferner kurze Verjäh­rung doch nie rechtskräftig ist ...

   Von 1698. So wenige auch auf diesem Landtage waren, (es waren da­mals zwey Zünfte eingegangen) so war man doch auf demselben sehr ernsthaft für das Wohl der Republik besorgt. Die Aldermänner brachten dieß Gesez in Vorschlag. Es war die gemischte Zunft, welche die Befugnis hinzusezte. Die ändern Zünfte verwarfen das zwar; aber die Aldermänner waren nachgebend genug, es gleichwol mit auf die Rolle schreiben zu lassen. Wir finden nichts in den Jahrbüchern davon, wie die Aldermänner, wider die Einrichtung der Republik so etwas haben für sich thun können, und warum es die Zünfte zugelassen haben.

   Auf dem Landtage 1723 wurden drey zu dieser Zeit gar berühmte Gelehrte, nämlich Sebastian Wisch, Wilibald Knirps, und Otto Hahnekamm auf die Todtenfackel angeklagt; sie bedienten sich aber der Be­fugnis, und die Entscheidung ihrer Sache muste also bis zu dem folgen­den Landtage ausgesezt werden. Sie thaten, die Zwischenzeit über, all ihr mögliches um losgesprochen zu werden. Sie verlängerten die An­merkungen, und vermehrten die Register ihrer Bücher; sie liessen sie prächtig drucken, und sezten ihnen Zuschriften vor. Der Name: gewafnete Vorreden, war zwar damals völlig abgekommen; aber, der Sache nach, liessen sie in den ihrigen die Waffen recht gut blinken. Gleichwol fürchteten sie aller dieser Anstalten ungeachtet doch den Landtag ein wenig. Dieser kam. Der Herold war schon hervor getreten, als man er­fuhr, daß ein Irthum vorgegangen wäre, und nicht Sebastian Wisch, sondern Cyriac Wisch den vorigen Landtag hätte sollen angeklagt wer­den. Diesen Umstand wolte sich Sebastian sogleich klüglich zu Nuze nachen, und die Stimmensamlung zum zweytenmal aufschieben lassen, im Falle daß man es etwa bey dieser Gelegenheit übel mit ihm in Sinne haben solte; allein man deutete ihm an, daß er völlig ruhig seyn könte, weil man an ihn gar nicht einmal gedacht hätte, und auch jezt nicht dächte. Cyriac behauptete, daß, ob man es gleich nun anders vorgäbe, er doch damals nicht wäre angeklagt worden, sondern Sebastian war's: er müste also, da er's jezt erst würde, des Rechts, sich auf den künftigen Landtag zu berufen, gleich ändern geniessen. Weil er bey diesem Gesuch oder vielmehr dieser Federung so viel Wesens machte, so hub man die Anklage gegen ihn auf, so daß also die beyden Wische glüklich durch­kamen, und sich herzlich freuten, daß es nun mit ihrem Ruhme bey dei Nachwelt gewiß gut gehn würde, weil das mit der widrigen Todtenfackel so erwünscht abgelaufen wäre.

   Wenn wir die Geschichte unsrer Republik herausgeben, so wird man bisweilen darinn finden, wie diese und jene Schrift, deren Verfasser die Stimme des Herolds gehört hatten, von allerley Leuten und Leutchen als ob sie noch lebte, geliebkoset worden sey.

 

2

Ein Knecht kann wol noch zur Not auf Geschwäz anklagen, aber nich auf die Todtenfackel.

L. G.

Nach dem Maasse der Einsicht ...

 

3

Wenn ein Freyer oder Edler auf die Todtenfackel anklagt, und das Urtheil der Landgemeine wider den Ankläger ist, so büsset es dieser durch das Hohngelächter, und wird auf fünf Jahre Landes verwiesen.

L. G.

Die Kühnheit der hämischen Scheelsichtigen ...

   Von 1723. Die Edlen aller Zünfte hatten sich vereinigt, diese beyde Geseze vorzuschlagen.

 

4

Bey eines Knechtes Schrift wird die Todtenfackel nicht angezündet, weil sie eigentlich niemals recht gelebt hat.

L. G.

Alles überfliessige zu vermeiden ...

L.G.

Nachahmung wolt's Affengesicht zwar gerne verlarven ...

Die Knechte machten wegen des Gesezes: Alles Überfliessige .. welches 1733 war gegeben worden, 1757 eine Meuterey. Dieß war der Anlaß zu dem Geseze: Nachahmung wolt's Affengesicht ..

 

 

Vom Neuen.

 

Kein Buch, dessen Inhalt oder Ausführung nicht wenigstens in einigen Stücken neu ist, wird hinter den goldnen Vorhang gestelt.

L. G.

In den Wissenschaften nicht wuchern, und den Nachkom­men nur die Vermächtnisse der Vorfahren hinterlassen, ist unter allen traurigen Dingen, die sich in der Republik zu­tragen können, bey weitem ...

   Von dem Landtage 1745. Schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts hatte man in unserm Büchersaale ein abgesondertes Behältnis, über welches geschrieben war:

Unsterbliche Werke.

Aber man muste von Zeit zu Zeit einige Bücher wieder herausnehmen, weil es mit der geglaubten Unsterblichkeit offenbar vorbey war. In An­fange dieses Jahrhunderts änderte man die Überschrift, und sezte:

Vortrefliche Schriften.

Allein auch diese Überschrift ist bey Anlasse des eben angeführten Gesezes abgenommen, und folgendes über den goldnen Vorhang geschrie­ben worden:

Bücher, in denen auch Neues ist.

   Es währte lange, eh der Herold bey Gebung dieses Gesezes zur Stimmensamlung schreiten konte. Denn es wurde nicht wenig darüber ge­stritten: Ob man nicht in einem Zusaze die Beschaffenheit des Neuen bestimmen müste. Endlich drang diejenige Parthey durch, wel­che den Zusaz für abschreckend erklärte. Es wäre so wichtig, behaup­tete sie, die fast erloschne Begierde neu zu seyn wieder anzufachen, daß man ja alles vermeiden müste, was eine gegenseitige Wirkung hervor bringen könte. Unsre Nachkommen würden schon dafür sorgen, das Neue von Bedeutung, und das unbedeutende von einander zu sondern; wir hätten nur dahin zu trachten ihnen viel Neues zu hinterlassen. Alles, was man wünschen könte, wäre, daß, wenn etwa am Ende dieses Jahr­hunderts Landtag gehalten würde, die Aufseher des Büchersaals nicht wegen zu vieler leeren Stellen verlegen seyn dürften, wenn sie, bey Herumführung der Ausländer, den Vorhang öfnen solten.

   Die Zünfte haben es den Aldermannern überlassen, die Bücher für das abgesonderte Behältnis zu wählen; zwar nicht ohne den Vorbehalt ihnen drein zu reden, wenn sie es für gut fänden: aber sie haben bis jezo noch keine Veranlassung dazu gehabt, weil die Aldermänner mit einer Strenge gewählt haben, die nie der Partheylichkeit, oder einer andern Verblen­dung gewichen ist. Das Gesez ist gelinde, weil es nichts darüber ent­scheidet, wie das Neue beschaffen seyn müsse; gleichwol findet auch Strenge bey einem sehr wesentlichen Puncte statt, bey der Untersuchung nämlich: Was wirklich neu sey; und was nur dafür ausgegeben werde.

 

 

Von den Modewörtern.

 

Derjenige erhält die Belonungen der Republik schwerer als Andre, der solche Modewörter aufbringt, die, unter dem Scheine etwas Neues zu sagen, das Alte nur verwirren, oder die wegen des Wenigen, das hinter ihnen ist, überfliessig sind.

L. G.

Gehn von Zelt zu Zeit Wörtlein in Schwange, die da gleis-sen, und doch nichts, denn Schlacken bey sich führen. Gleichwol üben sie solche Gewalt unter den Leuten, als deuteten sie viel und groß Ding an. Da werden sie dann in den Büchern allerwärts hingestelt des Endes, daß sie dar-thun sollen allerhand Theoreyen, die, weil sie Fanzen und Frazen sind, nichts kann darthun am mindesten aber Wörtlein. Daher denn mit Säuberung der Begriff neuer­dings Zeit vorüber streicht, und ächte Wissenschaft immer wieder muß Halte machen in ihrem Laufe. Wird deswe­gen ...

   Wir haben oft Klüglinge über dieses alte Gesez (es ist von Landtage 1603) urtheilen hören. Sie haben's entweder als zu streng, oder als un­nötig verworfen. Es ist freylich wahr, daß nur wenige recht einsehn, wie sehr Worte die Welt regieren; aber was verändert das bey der Sache? Gelehrte solten hier am wenigsten unterwürfig seyn; aber sie sind es beynah eben so sehr als Andre; und strenge Ausübung dieses Gesezes kann ihnen sehr heilsam seyn. Wir haben einen Aldermann sagen hören: Auf immer solte derjenige die Belonungen der Republik entbehren, der ein Wort aufbringt, das nur Ein Jahr, und nur in Einer Wissenschaft Verwirrung anrichtet.

   Wenige Beyspiele sind zureichend um zu zeigen, was Worte überhaupt für Einflüsse haben. Was hat man durch die scholastischen Kunst­wörter in der Theologie für Blendwerk gemacht. Und wie schädlich ist dieß durch die Wichtigkeit der Gegenstände geworden. Was wurde man nicht alles, wenn man diese Wörter recht zu brauchen wuste. Wie man­chen haben sie zum Cardinale, zum Bischöfe, zum Fürstendiener oder genauer zu reden zum Fürstenherrn gemacht.

    Welche Schwächen haben wir Neuern oft hinter dem Worte Geschmak verstekt. Ein Jahrhundert könte dieses Verstecken wol noch fortdauren.

   Rom war einst die ewige Stadt. Seitdem Rom ein Wort gewor­den war, wie viel hat nicht dieß Wort zu der grösseren und weiter aus­gebreiteten Macht beygetragen.

 

 

Vom Neide.

 

Wenn Männer von Verstande wider die, von welchen sie über­troffen werden, gerades oder krummes Weges so angehn, daß sie die Gegenstände ihres Tadels nach der unrechten Seite gewaltsam herumdrehn, und sie dann von dorther zeigen; ferner, daß sie, wenn sie doch endlich einmal auch zu der rechten Seite herum müssen, dem Zuschauer sagen, dort sey eigentlich nichts rechts zu sehen; und, wird's denn gleichwol daselbst gar zu hell, einen Seiltänzersprung nach der vorigen Seite hinthun, und sich also offenbar als Kinder am Verstande betragen: so werden sie, als des Neides, dieser jämmerlichen Leidenschaft, der nur der Geiz an Niedrigkeit gleicht, schuldig angesehn, und befehligt, sich entweder für erstbenante Kinder zu erklären, oder zu gestehn, daß sie schlecht gehandelt haben. Beharren sie bey hartnäckigem Stilschweigen; so wird's eben dadurch vollends entschieden, was es ist, und der Herold thut ihr Geständnis öffentlich kund.

L. G.

Dünket einem, der Geistesgaben hat, die Vortreflichkeit eines Andern dergestalt unverzeihlich, und blutet ihm das Auge so heftig von dem Dorne, der ihm dort herwärts hineingekommen ist, daß er sogar ... In der Rolle steht noch dieses: Es werden, ob's wol aus dem Vorigen schon zur Gnüge erhellet, dennoch hiemit ausdrüklich ausgenommen: Die krüppelhaften Seelen, ferner: die gar zu eiteln, ferner die Zwergseelen.

   Daß die Gesezgeber die gar zu eiteln auch ausnehmen, überzeug uns, daß sie ihnen die Gaben des Geistes völlig absprechen. Wären sie nicht ausgenommen worden, und also fähig gewesen bestraft zu werden so hätte man sie bey erfolgter Anklage doch gleichwol auch, etwa au: folgende Art, von der Strafe befreyen können: Sie müssen, würde man gesagt haben, als Betrunkne angesehn werden. Nun entschuldigt zwar der Rausch vor dem Richter nicht; aber eine solche immerwährende von keiner Nüchternheit unterbrochne Trunkenheit, wie die ihrige ist, kann nicht Rausch genent werden; und dieser ihr ganz andrer, und sehr betrübter Zustand muß ihnen, wenn man der Billigkeit Gehör geben will, zur Entschuldigung, und daher auch zur Lossprechung dienen.

 

 

Vom Hochverrath.

 

Hochverrath wird durch ewige Landesverweisung bestraft. Der Knecht wird in aller Stille bey Nacht und Nebel über die Gränze geführt, der Freye, Edle und Aldermann aber bey versammelter Landgemeine. Hochverrath ist es,

 

1

Wenn sich einer zum Beherscher aufwirft.

L. G.

Der erste Grundstein unsrer Republik ist Freyheit ...

 

2

Wenn einer die ausländischen Gelehrtenrepubliken unsrer vorzieht.

L. G.

Alle Blinzer, Dreyschrittseher, und Bewunderungssieche ...

Auf dem Landtage 1757 gegeben, wegen einer recht ernsthaften Krank­heit, die nicht etwa nur vielen unsrer Mitbürger, sondern beynah der ganzen Nation anklebt. Aber nun scheint sie sich doch nach und nach in Kränklichkeit zu verwandeln. Käme es doch bald zur völligen Genesung.

 

3

Wenn ganze Geselschaften in einer fremden Sprache schreiben.

L. G.

Im Fall  einer nothwendigen grossen  Säuberung,  wenn  in hellen Haufen, Schaaren, und Heeren ...

   Wurde auf eben dem Landtage von den Aldermännern und der Zunft der Dichter, ohne daß sie sich ihre Gedanken vorher mitgetheilt hatten, beynah zu gleicher Zeit vorgeschlagen. Allerhand Ausstreuungen er­klären dieß Gesez für zu streng; und sie sind vielleicht eine Hauptur­sache, warum wir noch immer keinen Landtag haben.

 

4

Wenn einer einen deutschen Fürsten verführt, klein vom Genie und der Wissenschaft der Deutschen zu denken.

L. G.

Dem Kleinmütigen, Unedlen, Halbdeutschen ...

 

5

Wie viel Beyfall und Ehre auch die Mitglieder der Künstlergeselschaften geniessen, und wie sehr wir und unsre Bundsgenossinnen, und mit wel­chem Vergnügen wir sie auch haben erweitern und erhöhen helfen; so ists doch Hochverrath, wenn einer die Künste über die Wissenschaften er­hebt.

L. G.

Wer die Dinge auf den Kopf stelt ...

   Von der Zunft der Dichter auf dem Landtage 1745 in Vorschlag ge­bracht. Die meisten Grossen stellen noch jezt die Dinge auf den Kopf.

 

6

Wenn einer diejenigen Altfranken nicht ehrt, die groß vom Vaterlande denken.

L. G.

Sogar das Stilschweigen von Männern, die ...

 

7

Wenn einer Fürsten oder ihre Diener lobt, die es nicht verdienen.

L. G.

Alle grosse Erleichterung zu Erhaltung des Beyfalls ...

   Diese beyden Geseze sind von 1672 und 1723. Weder das eine noch das andre ist jemals in Ausübung gebracht worden. Denn es hat bisher noch immer an solchen Gegenständen der Verehrung gefehlt; und dann hat sich Niemand gefunden, der von einem Fürsten hat sagen wollen, er verdiente das, und das, und auch wol noch ein kleineres Lob nicht. Das erste dürfte wol auf dem bevorstehendem Landtage abgeschaft werden, weil es völlig überfliessig scheint.

 

8

Wenn einer nach dem Geseze von Völlerey und Trunkenheit nicht: Jo Duthe! mitschreyt.

L. G.

Die Schwanker und Zwitter ...

   Von 1733. Es entstand so: Als ein Betrunkner verwiesen wurde, ließ in dem Lerme ein Edler das Buch fallen, in dem sich jener betrunken hatte, und schrie aus Verdruß darüber nicht mit. Weil man ihn aber in Verdacht hatte, daß wol noch etwas anders Ursach gewesen wäre; so wurde dieß Gesez gemacht.

 

9

Wenn ein Ausrufer oder Ankündiger auch nur äussert, geschweige denn, wenn er gar freventlich behauptet, sein Amt sey ein Richteramt.

L. G.

Nur die versammelte Republik, Aldermänner, Zünfte und Volk ...

   Von 1733. Die Zunft der Weltweisen schlug es vor. Es war schwer durchzusezen. Vermutlich ging schon damals viel Unfug in Schwange.

 

10

Wenn einer die Ausländer über Anmassungen der Erfindungen ertapt, die wir erfunden haben, und es nicht öffentlich anzeigt, oder anzeigen last.

L. G.

Schlaraffenländische Schlafsucht . ..

 

11

Wenn einer zu Ruh und Frieden räth, nachdem unsre Republik Wett­streit um den Vorzug mit den ausländischen Republiken beschlossen hat.

L. G.

Den Kurzsichtigen, Kleindenkenden, Mutlosen, den Knechten, und Knechtschaftswerthen, die des Vaterlandes nicht würdig sind ...

 

12

Wenn einer behauptet,  daß die Griechen nicht können übertroffen werden.

L. G.

Was auch scheinbare Vorurtheile für Gewalt ...

   Aus einer Gesezrolle der griechischen Gelehrtenrepublik, die, man weiß nicht wo, ist gefunden worden. In dieser Rolle steht: Wenn einer behauptet, daß die Ägypter nicht können übertroffen werden. Einige haben an der Richtigkeit der Lesart zweifeln wollen; aber was thut ihm das; genung, daß es ein sehr heilsames Gesez ist. Es soll ein Scholiast vor Verdruß über die Einführung desselben Todes ver­fahren seyn.

 

13

Wenn bey einem die Abbildung der Bildsäule gefunden wird, die in den neuern Zeiten, mit den falschen Aufschriften, hier: Der Eleganz, dort: Dem Geschmacke, anderswo: Der Grazie, aber im Grunde, und der Wahrheit und Wirklichkeit gemäß, der Mittelmässigkeit gesezt worden ist.

L. G.

Da es in den Wissenschaften keine goldne Mittelmässig­keit giebt, wol aber, und einig und allein, eine bleyerne; da fernerhin alles, was nicht eigne Kraft in der Ader hat, doch nur, welche Beschönigungsnamen dem Dinge auch gegeben werden, an der Künsteley, feinerer und gröberer, kränklich oder krank darnieder liegt: so ...

   Auf dem Landtage 1745 von den Aldermännern vorgeschlagen. Diese Bilderchen fingen damals an, wie Heuschrecken im Lande umher zu fliegen. Die mit der Aufschrift: Der Eleganz sollen von unsern und von auswärtigen Scholiasten, die mit: Dem Geschmacke oft über dem Rheine, und die mit: Der Grazie seit kurzer Zeit vornämlich von einheimischen Ausrufern verfertigt werden.

 

14

Wenn einer die Abschaffung eines unserer Geseze vorschlägt, und sein Vorschlag verworfen wird.

L. G.

Aufwieglern und Empörern zu steuren ...

L. G.

Da sich bey allzugrosser Gelindigkeit und Nachsicht be­sonders auch die Knechte in ganzen Zügen, Horden und Rotten zusammenthun könten ...

   1698 wurden sieben Knechte und ein Edler, weil sie das Gesez die Völlerey betreffend gleich nach dessen Gebung hatten abschaffen wollen, auf ewig Landes verwiesen. Bey diesem Anlasse wurde das von den Zügen, Horden, und Rotten gemacht.

 

 

Von verderblichen Irsalen.

 

Folgendes ist eins unsrer ältesten Geseze, und zu der Zeit gegeben wor­den, da wir nur Genossame, und noch keine Landtage hielten. Wer die wolbedachte Mischung deutscher Gutherzigkeit, und deutsches Ernstes darinn nicht sieht, der verdient kaum, daß er der Republik an­gehöre. Wir wollen das Gesez ganz hersezen.

   Bringt wer ein Irsal in Schwang, und selbiges ist gering, so daß nur Gäuche werden, nicht aber Bösewichter, denen das Irsal behagt; so mag es ihm hingehn, und fält er nicht in Rüge deshalben, daß er die Menge der Gauch hat ge­mehrt: ist's aber mit nichten gemein, sondern mächtig und groß Irsal, was der Mann hat aufbracht, und kriegen die Leut dadurch bösartigen und argen Sinn; so wird ihm die Kühr vorgelegt zweyer Ding, nämlich: Er muß vor zehn Gelehrten, die da ehrsam und bider sind, frey öffentlich bekennen, und sagen, daß es ihm sey gar kärglich zu Theil worden an Hirn und Geist, und hab er eben kein sonder­lich Pfündlein zu vergraben, muß ihm daher nicht verübeldeut werden sein gröblich Irsal, denn gewislich hab er kein arg habt aus dessen Anheb- und Stiftung, und nicht gewust, was er thät; das kann er kiesen. Oder er darf, bis sieben Jahr dahin und verlaufen sind, unter gelehrte Leut nicht eintreten; und mag er dann sein Wesen haben, wo da ist Trinkgelag, und allerley Gespasses, und Narrentheidung; das kann er auch kiesen.

   Solche Acht über solchen Mann haben zu Schluß und Stande bracht zwölf Aldermänner, drey Zünfte, und des Volks eine gute Zahl, die einander durch den Herold hat­ten laden und bescheiden lassen, Rath zu pflegen über das gemeinsame Wohl.

Ist verhandelt, und in diese Rolle schrieben worden im drey und vierzigsten Jahr nach dem fünfzehnten Hundert.

   Wir müssen etwas von den Genossamen sagen, die damals da noch keine Landtage waren, gehalten wurden. Im Vorbeygehn merken wir an, daß das Wort: Genossam noch jezt in der Schweiz und zwar, so viel wir uns erinnern, in Uri üblich ist, und einen Theil des Cantons anzeigt. Unsre Genossame bestanden aus so wenigen Mitgliedern, daß man, wenn einer gehalten wurde, nicht sagen konte, die Republik oder (nach dem gewönlicheren Ausdrucke der Jahrbücher) die Landgemeine wäre versammelt. Gleichwol sind verschiedne Geseze der Genossame auf den ersten Landtagen, und auch wol später, von der versammelten Republik bestätigt worden. Das macht, es waren oft kernhafte und vaterländische Männer, die in diesen alten Zeiten zusammen kamen. Unser erster Land­tag war Anfangs auch nur ein Genossam. Da sich aber nach und nach die Zahl der Ankommenden immer vermehrte, so wurde dieser glükliche Zufall (wir können es wol so nennen, weil die Herolde, geschrekt durch ehmalige abschlägige Antworten, nur wenige eingeladen hatten) dieser Zufall wurde die Veranlassung die Landtage einzurichten. Nach dieser Einrichtung (die auch sonst noch vieles enthält) dürfen von den Aldermännern nur drey, auf den Zünften nur der Zehnte, und von dem Volke nur der Sechste fehlen. Eher kann der Landtag seinen Anfang nicht nehmen. Weil man vermutete, daß verschiedne Mitglieder des Volkes etwa saumselig seyn möchten, sich früh genung einzubinden; so wurde den Geschichtschreibern der Republik öffentlich befohlen, sie solten, in dem angeführten Falle, sobald ihnen die Aldermänner den Wink dazu geben würden, sagen, nach den Eingeschriebnen zu rechnen, wäre das Volk vollzählig, und zugleich bitten: Die verehrungswürdigen Aldermänner und Zünfter, wie auch das jezo versammelte gute Volk möchte es ihnen nicht zu Schulden kommen lassen, wenn sie etwa, aus menschlicher Schwachheit des Gedächtnisses, oder wol gar des Urtheils, diesen und jenen des Volkes in die Jahrbücher nicht einge­schrieben hätten.

   Es wurde damals noch Eine recht gute Veranstaltung getroffen, über die man aber hernach nicht hat halten können. Sie war: Der Pöbel solte an den Gränzen bleiben, und nur alle drey Tage den Schreyer herüber schicken. Aber sie ist, wie wir schon angemerkt haben, gleich vielen andern guten Veranstaltungen in der Welt, in der Folge zu Wasser ge­worden.

 

 

Fragment eines Gesezes,

oder

das Gesez von der Eule,

wie es gewönlich genent wird.

 

Die Eule,  Minervens Vogel, und die Nachtigall, Apollo's ...... Mag sie doch dazu ein Paar recht besondrer Augen im Kopfe haben, daß  sie, wenn's Nacht ist .... die Dinge in ihrer wahren Gestalt ....... ja selbst das sey Afterrede, daß sie, was die liebe Sonne bescheinet .... Sogar ihre Kehle, die sie nur nicht nach Art und Weise des Gesanges .. ihr bisweilen anwandelt .... so daß auf der einen Seite gewiß mehr Friedfertigkeit .... mit gutem Bedacht derer Dinge richtige Beschauung, die bey Tage .... und ihr's etwa auch nicht einmal danach lüstete ...... bey solcher nicht zu ändernden Beschaffenheit der Menschen kein Wunder wäre ... Dieses freylich nun einmal erhaltnen, und, wo sie drauf bestünde, denn unverdienten Vorzugs halben .... wiewol in den vergangnen Zeitaltern eben diese Meinung ob­ gewaltet ..... Wolte man die Gränzsteine deß, was man für nüzlich hielte, so nah zusammenrücken; so könte man sogar dieß wenige Übrige mit gleichem Fug und Recht auch als überfliessig verwerfen, und dann nur das notwendige gelten lassen .... den Menschen erniedrigte, und ihn gerades We­ges zur Wurzel, und zum Wild- und Fischfange, zurükbrächte ..... Wird also um dem alten Zwiespalte, der unterbrächte ..... Wird also um dem alten Zwiespalte, der unterzeiten sogar in Groll ausbricht, Ziel und Maaß zu sezen und damit nicht fernerhin vermeinte Überlegenheit und daraus entspringende Übersehung ..........

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Anmerk. Wo etliche Puncte hinter einander stehn, da sind verschiedne Zeilen manch­mal wol fünf bis sechs völlig unleserlich.

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   Wir haben dieß Fragment nicht weglassen wollen, ob wir gleich gern gestehen, daß wir uns nicht getrauen es so zu erklären, daß dem Leser kein Zweifel übrig bleiben könte. Wir wissen nicht, wodurch die Rolle so ist verdorben worden, daß darinn oft viel Zeilen hinter einander völlig unleserlich sind. Wir können eben so wenig errathen, warum die damali­gen Geschichtschreiber der Republik das Gesez, wie sonst allzeit zu ge­schehen pflegt, nicht in die Jahrbücher eingetragen haben. Nach der Schreibart zu urtheilen, kann es sowol vom vorigen als vom jezigen Jahr­hunderte seyn. Denn man wird bemerkt haben, daß die Gesezgeber auch in späteren Zeiten die Schreibart der früheren, in einem gewissen Grade, beybehalten haben.

   Wir wollen unsre Meinung über den Inhalt dieses Gesezes sagen. Der Leser untersuche selbst, ob wir recht oder unrecht haben, oder auch, ob es vielleicht gar nicht erklärt werden kann.

   In allen Jahrhunderten, (vielleicht kann man einige Zeitpunkte der Griechen ausnehmen) und unter allen gebildeten Nationen, haben ge­wisse Ansprüche auf den Vorzug die Gelehrten, welche sich den darstellenden Wissenschaften, und die, welche sich den abhandelnden widmeten, mehr oder weniger, heimlich oder öffentlich entzweyt. Diesem oft ungerechten Wettstreite um grössere Ehre Einhalt zu thun, scheint die Absicht dieses beynah halb verlornen Gesezes gewesen zu seyn. Man sieht leicht, welche von beyden Partheyen es gegeben habe. Es ist offen­bar, daß sie damals sehr friedfertig müsse gewesen seyn; denn sonst würde sie das Gesez nicht einzuführen gesucht haben.

   Wir wünschen beyden Partheyen fortdaurende Neigung zu dieser Friedfertigkeit. Denn irren wir auch in unsrer Auslegung, so scheint es uns doch ausgemacht zu seyn, daß die deutschen Gelehrten auch da­durch vor den Gelehrten anderer gebildeten Nationen einen Schritt weiter auf der grossen gemeinschaftlichen Laufbahn der Ehre thun würden, wenn sie nicht, gleich ihnen, durch stolzes Betragen gegen einander, die Bande auflösten, durch welche die Wissenschaften selbst vereinigt sind.

 

 

Der Zuruf.

 

Verschiedne Zünfter, und auch etliche vortrefliche Jünglinge aus dem Volke hielten 1769 eine besondre Zusammenkunft. In dieser wurde unter andern, weil das Gesez die Ausländer betreffend so lau beobach­tet würde, beschlossen, auf dem bevorstehenden Landtage aus allen Kräften dahin zu streben, daß man die Mehrheit zu folgenden bekä­me:

   Zünfte und Volk wenden sich an die Aldermänner, und beschwören sie beym Vaterlande, daß sie es sich theure und liebe Pflicht seyn lassen, was ihnen der Herold auf dieser Rolle überreicht, und es gleich darauf öffentlich bekant machen wird.

   Sie nanten es den Zuruf; und dieser lautete so:

   Die Aldermänner sollen Sorge tragen, daß der Republik, durch Überschäzung der Ausländer, und Geringschäzung unser selbst, kein Unheil widerfahre.

 

 

Guter Rath der Aldermänner.

 

Einleitung.

 

Schon auf dem Landtage 1603 hat man angefangen unter dieser Auf­schrift einige Bemerkungen, Warnungen, kürzere oder längere Sprüche, bisweilen nur Winke der Aldermänner, Anwalde, und Zunftältesten in die Jahrbücher zu schreiben. Aus diesen haben wir die­jenigen gewählt, die uns am merkwürdigsten vorgekommen sind. Der Zeitordnung sind wir bey unsrer Samlung nicht gefolgt. Man wird dem älterem guten Rathe seine Jahre schon von selber ansehn. Freylich wird ihm von denen, die es bis zur Überfeinerung gebracht haben, dieß und jenes übel gedeutet werden; aber was kann ihm das schaden? Denn Männer, die Kern und Reife in der Seele haben, schäzen ihn doch nach seinem Werthe.

 

 

Der Tiefsinn des Meisterers.

 

Der Meister sezt den zwanzigsten Gedanken hin, und läst die andern alle weg, durch deren Hülfe er den hingesezten zur vollendeten Bestim­mung gebracht hatte. Sein Meisterer, der sich denn doch auch gleichwol bis zu dem dritten empor geschwungen hatte, trit darauf hin, beschnizelt, verlängt, oder verkürzt jenen zwanzigsten Gedanken.

 

 

Grosser Unterschied.

 

Kleider machen Leute. Kleider machen keinen Mann. Scribenten, die ihre Werke so schönfarbig, und nach so modischem Schnitte kleiden, bescheidet euch immer Leute zu seyn; denn Männer seyd ihr nun einmal nicht. Zurük, Jüngling, sagte Ekhard, denn du hast es nicht recht gefast. Nakt, wie ein wilder Mann, darfst du deswegen nicht gehen.

 

 

Gemilderte Härte.

 

Horaz nante die Nachahmer sclavisches Vieh. Urban war das eben nicht; und auch sonst nicht so recht in der Ordnung, Denn er selbst . . (von zwanzig übrigen Versen des Alcäus zehn theils sogar nur übersezt) Um mit der Sache recht ins Gleis zu kommen, so kann Vieh immer weg bleiben; denn man behält ja an Sclaven genung übrig. Und auch dieß ist noch rauh und barsch; aber wahr ist's.

 

 

Gewönliche Regelmässigkeit.

 

Unrichtig angewendet, ist ein Sprichwort kein wahres Wort. Eben so angewendet, bringt die tiefsinnigste Regel eine Misgeburt hervor.

 

 

Notwendige Kentnis.

 

Da schwazen sie: Der eine kent die Leidenschaft; der andre kent ihre Schattierung. Wehe dem Dichter, der beydes nicht kent, wie der Bauer sein Feld, oder der Günstling den Fürsten, durch den er herscht, oder welches mit dem lezten völlig einerley ist, der Teufel die Seele, die er holt.

 

 

Vom guten Gebrauche der Sprache.

 

Wie dem Mädchen, das aus dem Bade steigt, das Gewand anliegt, so solt es die Sprache dem Gedanken; und gleichwol immer noch zehn Röcke über einander, und ein Wulst darunter.

 

 

Von der Entdeckung und der Erfindung.

 

Habe du wol acht auf den Unterschied, der da ist zwischen dem, der er­findet, und einem andern, der entdekt. Hernach kanst du folgende Fra­gen an dich ergehn lassen: Darf ich mich des Erfindens unterfangen? Soll ich suchen zu entdecken? oder muß ich beydes unterwegens lassen ? Wer entdecken will, siehet sich gar genau um in dem Gewimmel der Dinge, so um ihm her sind; und siehet er darinn etwas, das sonst noch Niemand hatte gesehn; so hat er entdekt. Ein solcher muß vor anderm Augen haben, und auch Feuers, und Ausdaurens genung, lang und oft hinzusehn, insonders dahin, wo ihm nun, war's auch nur noch in der Dämmerung, etwa ein Lichtlein aufgeht. Solche Flämlein pflegen immer heller zu werden, je länger man hinschaut. Meinst du, daß ein guter Weidmann, der auch nur das Ohr eines Rehes in einem Busch ist gewahr worden, raste und ruhe, er hab es denn? Wer erfindet, sezt Vorhandnes auf neue Art und Weise zusammen. Wie du nun zusammensezest, und was zulezt, hast du's bewerkstelligt, vor ein Zwek, Ziel, und Absicht daraus hervorblicken, das ist's eben, worauf es dabey gar sonderlich ankömt. Das ist nun eine grosse Schwierigkeit, und ist selbige kein sol­cher Knoten, da du nur könnest drein haun, und das Ding wäre dann gethan; ist ein Knoten, den du lösen must, oder dich lieber gar nicht mit selbigem befassen. Denn, wie gesagt ist, das Dreinhaun frommet da nicht. Sind manche Zusammensezungen, haben wenige und grosse Stük; müssen solche haben, weil's Zwek und Absicht also erheischen: sind wieder andre Zusammensezungen, haben viele Stük kleine und grosse; müssen sie haben, aus genanter Ursach. Sind aber auch solche, die nichts nicht haben, denn lauter kleine Stük; gebe keinen Pfifferling drum, angesehn sie untauglich Werk sind.

 

 

Von der Nachahmung.

 

Das Urbild ist der Baum, die Nachahmung sein Schatten; und dieser ist immer bald zu lang, und bald zu kurz, nie die wahre Gestalt des Baums. Der Jüngling. Schatten also erstlich; und dann verfehlte Gestalt? Der Aldermann. Recht, Jüngling. Schatten ohne Saft und Kraft, Bildung ohne Schönheit. Sieh nur die heilige Eiche, die edle Tanne an, und hierauf ihre Schatten. Und wenn nun vollends (der gewönliche Fall) eine ganze Baumgruppe in eine ungestalte Schattenmasse zusammen fliest.

 

 

Drey Fragen.

 

Wol thätest du, wenn du unter Zeiten herumwandertest in der gelehrten Geschieht, und kämest du dann vorbey bey den grossen Lichtern, die weiland glänzten und jezo sind erloschen, dich zu fragen anhübst: War­um sind ausgangen, die doch hiebevor so viel Scheines hatten? Ferner: Wie ist ihm zu thun, daß ich dereinsten nicht auch erlösche; solt's anders dahin kommen, daß der Funken, so etwa in mir ist, noch finge? Ist mancherley bey den Fragen zu bedenken, und 's komt allhie gar sonderlich auf die rechte Erforsch- und Beherzigung dessen an, was da ist wahr, und gut, und neu; was Mark hat und Kraft, was tief ergründet ist; was Gestalt hat voll Anmut, so daß Aug und Herz daran weiden möge, wer bider ist, und selbiger dadurch gelocket und entzündet werde ähnlich Werk her­vorzubringen. Köntest auch noch die dritte Frag hinzufügen: Wie ist's kommen, daß ihrer etliche blieben sind, die sie vordem waren ? Müstest alsdann gar tief in ihren Sinn und Geist eindringen, und nicht ablassen, du habest denn ausforscht, was da sey ihr Leben und Weben, Lust und Liebe, Art und Eigenschaft, auch Eigenheit. Denn merke dir: Art und Eigenschaft ist gar notwendig Ding, fleugt Adlerflug; da hingegen alles, was nicht Art und Eigenschaft hat, umher flattert, und nicht weiß, wo es hin will.

 

 

Ekhards Reue.

 

Wer ein Mann ist, sagt nicht, was er thun will, sondern thut's .. Es verdreust mich auf mich selbst, daß ich vom Nichtreden geredet habe!

 

 

Anlegung der lezten Hand.

 

Deine Schrift ist vollendet. Auch mich freut's. Zu viel ausstreichen, ist Scylla; zu wenig, Charybdis. Sieh mir ins Gesicht, Jüngling! Kanst du steuren? Hast du Mut?

 

 

Zum höheren Comischen gehörig.

 

Ein Schauspiel, dem kein anderes gliche, wäre: Wenn ein Kurzsichtiger von Weitsehenden umgeben sie alle übersähe; und diese es aushiel­ten, jenem die Augen nicht zu öfnen.

 

 

Die Vorlesung.

 

Wenn die Aussprache, die Stimme, die Kentnis, die Empfin­dung, und die Begeistrung einem Gedichte, das ein Gedicht ist, Hand in Hand, einen Tanz halten: so stehest du in einem Zauberkreise, und kanst da nicht eher heraus, als bis die Tänzerinnen ausruhn.

 

 

Die Stillschweiger.

 

Man hat sichre Nachrichten, daß noch hier und da viel Wissenswürdiges gleich verborgnen Schäzen vergraben liege. Wer den meisten neuern Untersuchern ein wenig nachspürt, der findet, daß sie, ohne auch nur Einen Schritt tief zu kommen, oben herum wühlen, viel bey ihrer Arbeit schwazen, und sich Wunder was zu seyn dünken, weil sie so be­stäubt sind. Wie lächerlich werden diese Leute vollends alsdann seyn, wenn die rechten Schazgräber kommen, die kein Wort sprechen, der Raben nicht achten, aber graben.

 

 

Rohrdommels Weissage.

 

Laurenz Rohrdommel, der auf allen Landtagen, die wir in diesem Jahr­hunderte gehalten haben, gegenwärtig gewesen ist, brachte auf dem Landtage 1733 von neuem vielerley sonderbare Dinge vor, unter andern ließ er sich so verlauten:

   Ich bin kein Chiromant, oder Handgucker, aber ich bin ein Prosopomant, oder Gesichtsgucker, verstehe mich auf allerhand Prophezey aus Gebehrden und Gebehrdungen, und weiß sie dort gar genau heraus zu klauben. Wisset also, daß ich vor zwey Jahren auf einem Landtage der französischen Gelehrtenrepublik gewesen bin, und allda nach meinem Späh- und Prophezeygeiste auf Vieler Gesichtern gefunden habe, wie folget:

   Bald werden die Franzosen die Wissenschaften nicht mehr verknüpfungs- und folgeweise, da eines immer dem andern die Hand beut, und es stets mehr ans Tageslicht bringt, sondern nach alphabetischer Methode vortragen, so daß sie, so lange diese Gewonheit dauert, nicht als ein wolgestalter Körper dastehn werden; wol aber als ein zerhakter und zerstükter vor den Augen der Leute herum liegen.

   Hütet euch, liebe deutsche Landsleute, daß ihr nicht auch hier in die Fußtapfen der Franzosen tretet, oder gar, welches sich wol eher mit euch zugetragen hat, hinein tappet.

   Diese Weissage wurde von den Zuhörern, deren er keine geringe An­zahl um sich versammelt hatte, mit lautem Gelächter empfangen; zwar auch wol deswegen, weil er sich unterstanden hatte, prophezeyen zu können; aber doch noch vielmehr aus der Ursache, weil es Unmög­lichkeiten wären, die er prophezeyt hätte.

   Je lauter das Gelächter wurde, mit desto grösserer Selbstgenügsamkeit strich sich Rohrdommel seinen weissen Bart, und ging nicht eher weg, als bis seine Zuhörer sich recht müde gelacht hatten.

   Solte er auf unsern bevorstehenden Landtag kommen (er muß schon gegen hundert Jahre alt seyn) so wird man ihn gewiß nicht wenig an­liegen, nun auch von den künftigen, hoffentlich nicht ähnlichen Vorfallenheiten unsrer Republik zu prophezeyn.

   Wir müssen von Rohrdommeln noch anmerken, daß ob er gleich seit so langer Zeit auf unsern Landtagen gewesen ist, er sich doch beständig unter den dabey gegenwärtigen Ausländern aufgehalten hat, aber ohne jemals auch nur ein einziges Wort mit ihnen zu sprechen. Mit seinen Landsleuten spricht er noch wol unterweilen etwas; allein am liebsten ist er doch für sich, und hat er mit sich selbst zu thun.

 

 

Für junge Dichter.

 

Dreyerley vor allen Dingen, sagte ein Zunftältester zu einem Jünglinge, der ihm seine Neigung zur Dichtkunst gestanden hatte: Untersuchung des Menschen, Vorübungen, und Sprachkentnis. Wenn du den Menschen nicht kenst, wie er gewönlich ist; und wie er seyn könte, und selten ist: so weist du weder aus noch ein, wenn nun Noth an den Mann geht, das heist, wenn du den rechten, den vorzüglich, oder bis­weilen allein wirkenden Punkt bey einer Vorstellung treffen solst. Doch diese Untersuchung erfodert Jahre; und du kanst, eh du sie vollendet hast, Vorübungen machen. Von Vorübungen hab ich noch nie etwas gehört. Es ändert bey der Sache nichts, daß du jezo das erste­mal davon hörst. Zeichnet der künftige Maler nicht die Glieder des menschlichen Leibes einzeln, und die, bey denen es ihm am wenigsten gelingt, wol hundertmal, eh er sich an die ganze edle Gestalt wagt ? Und hat er etwa Unrecht, daß er es thut ? Und soll sich vielleicht der künftige Dichter deswegen nicht vorüben, weil seine Kunst schwerer ist? Die grammatische Richtigkeit der Sprache inne haben, macht den kleineren und leichteren Theil der Sprachkentnis aus. Versteh mich ja recht. Ich sage dieß nur in Vergleichung mit dem grösseren, und schwereren. Denn an sich selbst ist er weder klein noch leicht. Bey der eigentlichen und vor­züglichsten Sprachkentnis komt es darauf an, daß man die Bedeutungen der Wörter in ihrem ganzen Umfange wisse. Dieser begreift unter andern den Sinn in sich, den ein Wort, in der oder jener Verbindung der Gedanken, auch haben kann. Umfang sezt Gränzen. Du must also auch wissen, was ein Wort nicht bedeuten könne. Manche Wörter wimmeln, (ich rede besonders von unsrer Sprache) von vielfachen Bestimmungen der Hauptbedeutung oder Hauptbedeutungen; manche haben überdieß eine gewisse Biegsamkeit noch neue Bestimmungen anzunehmen, vorausgesezt, daß die Stelle, wo sie stehen, es erfodre, oder wenigstens zulasse. Diese neuen Bestimmungen sind oft nur kleine, sanfte Schattierungen; aber so klein sie sind, so gehören sie doch mit zur Darstellung. Ohne sie mangelt ihr etwas; sie ist noch nicht ganz vollendet. Wie wenig ver­steht also der von der Sprache, und was kann er darstellen, der nicht einmal die Hauptbedeutungen der Wörter recht kent. Ein Maler, der blau und roth nicht von einander unterscheiden könte, last sich zwar nicht denken, und doch gleicht ihm derjenige Dichter, dem es an jener Kentnis fehlt. Zu den vielfachen Bestimmungen der Hauptbedeutungen gehört auch sanfter und starker Klang, langsame und schnelle Bewegung der Wörter, ja sogar die verschiedne Stellung dieser Bewegungen. Wie soll ihm aber, (mich deucht du fragst mich das) ein Mann thun, dessen Sprache ihm zu solchen Bemerkungen wenigen oder keinen Anlaß giebt, und die nicht einmal Wörter genung hat, geschweige denn viele von starker, reicher, und vielseitiger Bedeutung? Allein was geht uns denn dieser Mann an? Meinent- und deinenthalben mag er so viel er nur immer will und kann in Prosa schreiben; und es so oft und lange, als es ihm gefällig ist, Poesie nennen. Doch wenn solcher Mann nun endlich zu der Einsicht komt, wie es, in Beziehung auf die Poesie, mit seiner Sprache eigentlich beschaffen ist, was soll er dann anfangen? Dafür laß du ihn sorgen. Freu du dich, daß du eine Sprache hast, die der griechischen nicht nur frey unter die Augen treten, sondern die ihr auch wol diese und jene Frage thun darf.

   Man macht sich von dem, was die Sprache ausdrücken kann, keinen richtigen Begrif, wenn man sie sich, auf der einen Seite, durch Buchstaben bezeichnet; und auf der andern, von der Action des Redenden begleitet, vorstelt. Der eigentliche Umfang der Sprache ist das, was man, ohne den Redenden zu sehn, höret. Man hört aber Töne, die Zeichen der Gedan­ken sind, durch die Stimme so gebildet, daß vieles von dieser Bildung nicht gelehrt werden kann, sondern vorgesagt werden muß, um gelernt zu werden. Die unlehrbare Bildung der Töne begreift besonders das in sich, was das Sanfte oder Starke, das Weiche oder Rauhe, das Langsame und Langsamere, oder das Schnelle und Schnellere dazu beytragen, daß die Töne völlig zu solchen Gedankenzeichen werden, als sie seyn sollen. Man höret ferner mit dieser Tonbildung eine andre, die, in sehr vielen und sehr fein verschiednen Graden, Leidenschaft ausdrükt. Diese zweyte Tonbildung ist allen ein Geheimnis, denen ihr Gefühl nichts darüber sagt. Sie hat sogar mehr Schattierungen, als der Gesang. Nur der declamirt gut, dem diese doppelte Tonbildung gelingt. Wer Dichter werden will, kann von dem guten Declamator mehr als Eine Sache lernen, 1 Die Wirkungen des Wolklangs. Sogar rauhe Töne gehören, wenn sie der Inhalt erfodert, mit zum Wolklange. Cynthius zupfe dich beym Ohre, wenn du einen Trieb bey dir fühlst, diese Anmerkung zu misbrauchen. 2 Die Wirkungen des Silbenmaasses. Aber hier hat mancher sonst vortrefliehe Declamator noch selbst zu lernen. Da es so wenig ist, was er zu lernen hat, so ist es merkwürdig, daß er es noch nicht weiß. Wir müssen bey ihm voraus sezen, daß er seine Sprache und also auch ihr Tonmaaß kenne. Dieß also vorausgesezt, so hat er gar nichts weiter zu thun, als die Längen genung und recht hören zu lassen. Recht läst er aber die Längen nicht eher hören, als bis der Zuhörer die Verschiedenheiten derselben, die durch die Dehnung, und, im abgebrochnen Tonhalte, durch die Zahl und Beschaffenheit der Mitlaute, entstehn, bemerken kann. Geschieht dieses, so erfolgt alles übrige von selbst, und der Rhythmus fängt auf einmal an zu tanzen. Mehr oder weniger Schnelligkeit, oder auch mehr oder weniger Langsamkeit entstehn von selbst aus der rech­ten Tonbildung der Leidenschaft. 3 Wie viel die Wörter aus­drücken können. Man hatte oft einem Worte so viel Ausdrücken­des nicht zugetraut, als man durch die volle gedoppelte Tonbildung der Declamation hört. 4 Was die Wörter nicht ausdrücken können. Der Declamator sieht wol, was der Dichter hat sagen wollen, er sucht ihm auch, ob er es gleich nicht gesagt hat, fortzuhelfen. Da er aber nichts Gezwungnes thun darf; und das vorkommende Wort nun einmal nicht gut gewählt ist; so muß er es wenigstens in einem gewissen Grade fallen lassen. Dieses fallen lassen des Deklamators kann man­ches Licht in der Wortkentnis geben. Du hast mich ein wenig erschrekt; aber ich will lernen; und ich freue mich, daß ich eine solche Sprache zu lernen habe.

 

 

Nicht gehaltnes Versprechen.

 

Es macht Freude, Schadenfreude wol, aber solche, wie du dir erlauben magst, wenn ein Männlein, das mit Dünkeln und Klügeln über allerley gelehrte Arbeit und Schrift, auch wol Meisterwerk seine Lebenstage hat zubracht, geblinzt, und gethan, als ob's sehen könt, beekelt und gethan, als hätt's 'ne Zunge, wenn solch Männlein nun selbst 'ne Schrift fertigt, und mit selbiger vor aller Welt Augen hervortrit. Darinn lebt und webt denn nun nichts, ist noch Kraft noch Anmut; Anstrengens wol, und vielerley miswachsner Zier; und wird kein halb Wort gehalten von alle dem, was da war durch so viel vorgängige Klügeley versprochen worden, auf die Ereignis hin, daß der Klügling einst selbsten auftrat, und redete. Lassen's auch die Zuhörer dafür das eine Ohr hineingehn, und das andre wieder hinaus, und vergessen's Übermorgen.

 

 

Gutachten über etliche Redensarten.

 

Sich mit ausländischen Schellen behängen .. Dinge, die aufrecht stehen, umkehren, damit man sie umgekehrt zeigen könne .. Den Musen die Leyer stimmen .. Nach der Pfeife des Tauben tanzen .. Den Pfuscher einseifen, und ihn mit dem weissen Barte sizen lassen .. Nicht einmal des Erostratus Ruhm erlangen können, weil's nicht brennen will .. Einen kleinen Zwek für einen Zwek halten .. Sich's hoch anrechnen, daß man, da man denn doch nun einmal Marktschreyer ist, gleichwol bey Leibe kein Seiltänzer seyn möchte .. Zwischen philosophischer Kunstwörterey, und wahren Gedanken, keinen Unterschied finden .. Zwischen einem guten Vortrage, dessen Gegenstände sich aber nur auf philosophische Kunstwörterey gründen, und wahren Gedanken, auch keinen Unter­schied finden .. sind Redensarten, die mehr in sich halten, als mancher der Sachen und der Zeiten unkundige etwa vermeinen möchte.

 

 

Woran die Schuld liege.

 

Die Deutlichkeit der Rede stehet nicht allein mit dem Verstande, den Kentnissen, und der Aufmerksamkeit der Zuhörer in Verhältnissen; son­dern auch mit den Gegenständen, die vorgestelt werden. Diese bestim­men nämlich, durch ihre verschiedene Beschaffenheit, die bey ihnen er­reichbaren Grade der Deutlichkeit. Erhabne Gegenstände, wenn man sie von der rechten Seite angesehn, und mit wahrem Gefühl ganz empfunden hat, können vorzüglich deutlich vorgestelt werden. Oft ist es, um hier bis zu diesem Grade der Deutlichkeit zu kommen, nicht etwa nur gut; es ist notwendig kurz zu seyn. Die Kürze fasset wenige Theile durch Worte von starker Bedeutung zusammen, und leuchtet, gleich einer grossen Lichtmasse auf einem Gemälde. Gleichwol ist sie es, die am gewönlichsten der Dunkelheit beschuldigt wird. Aber von wem denn? Von Leuten, denen es entweder an Verstande, oder an Kentnissen, oder an Aufmerksamkeit, oder gar an allen dreyen fehlt.

 

 

Gegründete Befürchtung.

 

Wenn ich, sagte ein Zunftältester, etwas schreiben möchte, das, ohne meine Absicht, würde zur Satyre werden; so würd ich eine wahre Ge­schichte der Philosophie schreiben. Fromm wie ein Lamm, aber mit völ­liger Bestimmung würd ich es in seinem ganzen Umfange auseinandersezen, wie wenig die allermeisten Philosophen zur Erleuchtung des Verstandes, und zur Lenkung des Herzens beygetragen haben. Meine Lammfrömmigkeit würde besonders daraus hervorblicken, daß ich den Philosophen nichts, gar nichts andichtete; sondern die Sachen völlig so nähme, wie sie wirklich sind; und doch würd ich Unschuldiger ein reissender Wolf zu seyn scheinen, der ganze Heerden Schafe auf Einmal auffrässe.

 

 

Vom Geschmacke.

 

Komt da ein Wörtlein immer mehr und mehr auf, heisset: Geschmak; kann an sich selbsten weder frommen noch schaden, angesehn auf 'ne Gleichnisrede mehr oder weniger gar nichts ankomt; aber gleichwol stehet zu fürchten, daß dieses Wörtlein allerhand, das nicht gut ist, anrichten werde. Denn solche Gleichnisreden werden gewönlich in einem Sinne gefast, der bald hierhin schwankt, und bald dorthin, so daß zulezt Theoreyn daraus kommen, welche die Leut wie Irwische herumnarren. Möcht man's doch brauchen, wie's einem gut dünket' und lüstete, in gemeiner Rede; auch in allerley Zetteln, die umherfliegen, und an welcher Inhalt wenig liegt: aber in Büchern, die darthun sollen, was da sey die Ursach, die Weise, Gestalt, und Gebehrde dessen, das uns behaget, oder nicht behaget, möcht benantes Wörtlein vielleicht zu allerley Regulmässigkeiten verleiten, mit denen, und mit derer Geburten einer's in die Läng nicht aushallen könte.

 

 

Die Vergleichungssucht.

 

Untersuchest du deinen Gegenstand nur in Vergleichung mit andern; so wird es bald um dich von kleinen und grossen Irthümern wimmeln; untersuchest du ihn aber allein und für sich; so kanst du bisweilen dahin kommen, daß du ihn ganz siehest, und du stehest dann, in Absicht auf die Erkentnis, eine Stufe höher, als die Vergleicher.

   Wer dieses noch nicht weiß, der buchstabiert noch; und gleichwol ist's nicht überfliessig es zu sagen. In unserm erleuchteten achtzehnten Jahr­hunderte wird mehr verglichen, als jemals ist verglichen worden. Es ver­steht sich von selbst, daß dieses diejenigen am wenigsten glauben, die es am meisten angeht.

 

 

Wortklauberey.

 

Rohrdommel sagte: Tyrn deutete bey uns vor Alters eben das an, was heutiges Tages Tyrann. Dieß Wort ist aus dem griechischen Tyrannos entstanden. Tyrn und Tyrannos sind eben dieselben Wörter; und beyde sind aus einer und eben derselben älteren Quelle ge­schöpft. Wir haben aber Tyrn verloren, und an dessen Statt Tyrann aus dem Griechischen genommen. Gleichergestalt haben wir auch kri­tisch aus dem Griechischen genommen; (aus dem Französischen denn, wenn ihr's so haben wolt, und die Franzosen haben's von den Römern, und die Römer von den Griechen) aber das frühere Wort kriddsk ha­ben wir nicht wie Tyrn gänzlich verloren; sondern es ist, nebst etlichen Wörtern gleiches Stammes, noch im Niederdeutschen vorhanden. Nun komt zwar der Glossierer, und sagt: Kriddsk kann nicht mit kritisch einerley seyn, so wie's Tyrn mit Tyrann ist. Denn kriddsk bedeutet zänkisch, auch haben die verwandten Wörter gleiche Bedeutung, als: Kriten (im Gothischen kritan) ein zankendes Geschrey erhe­ben, kreischen; ferner: Kriddelije Streit, heftiger Wort­wechsel, wie auch: Kriddeler ein Zänker. Das sagt der Glossierer nun zwar; aber ich bin auch einer, und wol ein besserer denn er, und sage: Er hätte bey seinem Vorbringen in Erwägung ziehn sollen, daß die angeführten Bedeutungen nur Nebenbedeutungen sind.

   Denn Kritmann heisset Richter.

   Woraus denn folget, daß Kriddeler auch Richter, Kriddelije auch Gericht, und kriddsk auch richterlich heisse. (Ich bemenge mich hiebey gar nicht damit, zu erörtern, wie Unrecht die Kritiker darinn haben, daß sie sich dünken lassen, Richter zu seyn; es komt mir einzig und allein auf die rechte Auslegung der Wörter an, durch deren Hülfe und Beystand sie sich, welcher Abkunft die Wörter auch seyn mögen, grie­chischer oder deutscher, das anmassen, was sie nicht haben.) Ich hätte also in dieser dunkeln Sache ein solches Licht aufgestekt, daß die Hauptbedeutung des Wortes kriddsk wieder hergestelt wäre. Aber, auf daß man mir nicht Unrecht thue, so muß ich sagen: Ich verlange der Wiederherstellung halben gleichwol nicht, daß man das griechische Wort kritisch verwerfe, und das alte, nur noch im Niederdeutschen übliche aufnehme. Denn fürs erste muß man zu wichtigen Dingen nicht ohne die gröste Noth übelklingende Wörter brauchen; und kriddsk klingt denn doch gewiß übel genung: fürs zweyte muß man sich hüten, Wörter aus den gemeinen Landessprachen ins Deutsche aufzunehmen. Sonst hätte freylich die Sache, wenn man sie nach der andern Seite herum­dreht, auch ihre Vortheile. Kunstrichterey, welches man anstatt Kritik der Abwechslung wegen zu gebrauchen pflegt, ist zum Exempel kein gutes Wort; wenn wir aber (lasset uns die niederdeutschen Wörter, der möglichen Aufname halben, gleich deutsch aussprechen) wenn wir Kriteley aufnähmen; so hätten wir für Kunstrichterey ein gutes Wort. Keiner hat jemals kritisieren für ein gutes Wort gehalten. Es ist von ungefähr so eine Art Wort, wie hanthieren, hausieren; und nicht einmal so gut; denn es solte nach dem Französischen, wo es herge­nommen ist, kritikieren heissen; aber es mag wol Anfangs dem Pö­bel ein wenig durchs Maul gangen seyn, und allda die Verwandlung in kritisieren erlitten haben. Wer weiß nicht, daß manchem andern französischen Worte gleiches Unheil wiederfahren ist. Nehmen wir aber kriten auf; so können wir das verwahrloste kritisieren völlig ent­behren. Kunstrichter will Manchen auch noch nicht so recht ein; Kritiker eben so wenig. Dieser Leute Bedenklichkeiten fielen nicht allein so gleich weg; sondern die Sprache würde auch, und gewiß durch keinen unnüzen Schaz, bereichert, wenn wir ihr Kritler und Kritmann gäben. Denn das lezte drükt mehr aus, als das erste. Wenn man schlechtweg Kritler sagt; so hat die Sache bey weitem den Nachdruk noch nicht, den sie durch Kritmann bekomt. Was endlich kritisch anbelangt; so ist das zwar ein recht gutes Wort; aber warum solten wir nicht auch kritsch (da kritisch oft auch kritsch ausgesprochen wird; so fält der Vorwurf einer etwanigen Härtlichkeit, wo nicht weg, doch zurük) ich sage, warum solten wir nicht auch kritsch aufnehmen, wenn wir Kriteley, kriten, Kritler und Kritmann aufgenommen hätten ?

   Wem das Licht, das ich in dieser Sache aufgestecket habe, noch nicht genung einleuchtet, dem halte ich's hiemit ganz dicht vor die Augen, wie folget: Ich habe um das Wort Kritmann, das einen Richter anzeiget, und die Nebenbedeutung der Geschwisterwörter nicht hat, wie um eine Achse, mein Rad laufen lassen, so gut, daß ich, wo ich hingedachte, angerolt kommen bin, da nämlich: Die Hauptbedeutung des alten deut­schen Wortes kritsch wieder herzustellen.

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(Kritmann) Das brem. Wörterb. giebt dem Kritmanne S. 868. eben diese Bedeutung.

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Der Scheideweg.

 

Der Tempel der Wahrheit liegt auf einem hohen Felsen. Zwey Jünglinge gingen mit einander auf der Heerstrasse. Jezt waren sie an einem Fuß­steige, der von der Heerstrasse ab, und in Büsche hinein lief. Auf diesem kam ihnen die Kühnheit, und auf jener die Behutsamkeit entgegen. Folge mir! rief die Eine, mir! die Andre, und beyde waren beredt. Die Jünglinge nahmen von einander Abschied. Derjenige, welcher der Kühnheit gefolgt war, saß schon an der Schwelle des Tempels, als der andre noch in einer zurükführenden Krümme war, und dort in Sande watete.

 

 

 

Der verkante Untersucher.

 

Zweyerley komt mir lächerlich vor, und das dritte abgeschmakt.

   Wenn einer durch den Gebrauch der Kunstwörter ein Philosoph zu seyn glaubt.

   Wenn einer nicht einmal weiß, was andre Philosophen vor ihm gesagt haben; und sich doch dünken last, es verlone sich der Mühe gehört zu werden, was er nun zum zwanzigstenmale sagt.

   Und wenn der, welcher dieses und jenes vereinigt, den wirk­lichen philosophischen Untersucher über die Achseln ansieht, weil dieser seines gleichen nicht ist.

 

 

Die Ironie.

 

Die rechte Ironie ist eine gar keusche Dirne, enthält sich mit grosser Strenge des Mitlachens. Am besten hat sie's troffen, wenn nicht etwa nur, wer mit Haut und Haar Gauch ist, sondern auch der Klügling denkt, sie meine das in allem Ernste, was sie sagt.

 

 

Besser ist besser.

 

Ich bin ein guter Leser, denn ich sehe ein, warum du das und das gesezt hast. Ich danke vielmals, und gewiß recht aufrichtig; aber ich kenne noch bessere Leser. Und wie sind denn diese beschaf­fen? Diese sehen auch ein, warum ich das, und das, und wieder das, und noch mehr weggelassen habe.

 

 

Die ekle Nase.

 

Ein kalter einsylbiger Mann hatte seine Bücher folgendermaassen ge­ordnet:

   In einem kleinen Cabinette hatte er die Originalwerke; und in einem grossen Saale die unzähligen Arbeiten der Nachahmer und der Ausschrei­ber. Jene nante er seine Blumen; und diese, nach einer wörtlichen Dolmetschung des französischen Ausdruks: seine verfaulten Töpfe. Kam einer zu ihm, und wolte seine Bücher sehen; so hatte er's bald weg, wohin er ihn führen müste. Es begab sich selten, daß er Jemanden ins Cabinet führte. Gewönlich ging er mit den Leuten in den Saal, machte links und rechts die Deckel auf, und ließ hinein riechen.

 

 

An ihn.

 

Den bescheidnen Tiedemann (er war vaterländisch gesint, und das bin ich auch) erbat ich endlich, daß er sich vornahm, aber wie man sich Sachen vornimt, die man thun will, die Geschichte von den Entdeckun­gen und Erfindungen der Deutschen zu schreiben. Tiedemann ist gestorben.

 

 

Die beyden Zepter.

 

Die lange Länge lang von drey Jahrhunderten beherschte Aristoteles die Scholastiker mit einem eisernen Zepter; endlich war's denn doch damit vorbey: und gleichwol hören die Theoristen der Dichtkunst noch nicht auf sein andres Zepter zu küssen.

   Aristoteles hatte in Vielem Recht. Er war ein grosser Mann.

   Wer leugnet denn das ? Er hat hinkende Nachtreter, die sich ein hölzernes Zepter schnizeln, und es mit Eisenerde über­tünchen. Diese haben fast in allen Unrecht; und sind Leutlein.

   Wer leugnet's denn?

 

 

Inhalt und Ausführung.

 

Ist Jemanden eine Schrift fertig worden, und hat er einen Freund, der nicht leugt noch treugt, und der scharfes Geistes ist, aber bey Leibe nicht spizfindiges; so geh er zu selbigem Freunde, und zeig ihm die Schrift vor, und thue ihm dabey folgende zwey bedenkliche Fragen:

   Hat's auch Inhalt, was du da liesest ?

   Hat's auch Gestalt gewonnen ? oder ist's so unlieblich anzuschaun, als ein Mensch, der nur in Haut und Knochen hängt?

   Hapert's dem Freunde bey der Antwort auf die erste Frage; dann ohne Anstand und Säumnis mit dem Buche ins Feuer!

   Gehn ihm aber nur bey der zweyten Frage die Achseln ein wenig in die Höhe; nun so magst du dich wol noch Einmal an dein Werk machen, nicht, daß du die Feile gebrauchest; denn du hast ja nichts abzufeilen: sondern, daß du dem Inhalte Gestalt gebest.

 

 

Was solchen Leuten nicht werden kann.

 

Wenn in gemeinem Leben einer dem ändern jezt eine freundliche, und gleich darauf eine spöttische Mine machte;

   einer den ändern jezt mit einem Krazfusse bewillkomte, und ihm gleich darauf einen Tritt versezte;

   einer seinem Gaste jezt gutes Räucherpulver, und dann Gestank auf­streute :

   so .. jeder weiß, wie ein solch Betragen in gemeinem Leben würd angesehn werden.

   Unter dem Vorwande der Unpartheylichkeit verfährt der grosse Haufen der Kritiker gegen die Scribenten eben so, auch gegen solche, denen an ihrer Freundlichkeit, ihren Krazfüssen, und ihrem Räuchern nichts gelegen ist.

   Der grosse Haufen wird doch diesem allen ungeachtet nicht etwa gar verlangen, daß man nach den Regeln des gemeinen Lebens von ihm urtheile ?

Also sollen wir nur immer loben, und niemals tadeln?

   Elender Behelf! Als wenn der Tadel nothwendig Gestank, und des­gleichen seyn müste; und als wenn dem, der nicht so gerade zu fürlieb nimt, euer nichts entscheidendes Lob nicht gleichgültig wäre.

 

 

Der ehrerbietige Wegweiser.

 

Wer erfindet, der sint entweder die Ursachen zu schon vorhandnen Wir­kungen aus, oder auch zu solchen Wirkungen, die erst noch entstehn sollen, und die er selbst hervorbringen, oder durch andre will hervor­bringen lassen.

   Bey der ersten Art der Erfindungen kann es selten mit Gewisheit aus­gemacht werden, ob man gut erfunden habe. So ist es zum Exempel noch nicht entschieden, ob die Ursach der Sternbewegung, die zuerst Kepler, und, nach ihm, Newton erfand, die wahre sey.

   Bey der zweyten Art der Erfindungen ist es offenbar, daß man nicht gut erfunden habe, wenn die abgezwekte Wirkung nicht erfolgt; und gut, wenn sie erfolgt. Man nehme zum Exempel an, daß der Arzt durch seine neue Arzeney völlige Genesung, der Dichter durch sein Gedicht star­ke Rührung, der Mechaniker durch seine Machine Forttreibung einer gewissen Last zu einer gewissen Weite haben hervorbringen wollen; so kann man von dem Werthe ihrer Erfindungen nicht anders, als nach dem Erfolge, urtheilen.

   Die einfachsten Erfindungen können nur dann die schwersten genant werden, wenn durch Einfachheit die wenigsten Mittel zum Zwecke ver­standen worden. In einem andern Verstande (und in diesem nimt man hier doch gewönlich das Wort einfach) sind die nicht einfachen Er­findungen die schwereren. Die Erfindung der Buchdruckerey war gewiß leichter, als des Papiers oder des Glases.

   Das Erfinden kann nicht gelehrt, aber wer Fähigkeit dazu hat, kann auf den Weg, der zum Erfinden führt, gebracht werden. Vielleicht sind folgende die rechten Wegweisungen:

   Man muß die schon vorhandnen Wirkungen, oder diejenigen, die man hervorbringen will, in allen ihren Theilen und Theilchen, bestirnt denken.

   Man muß auch hier ein Mann seyn, und nicht erschrecken, wenn man in Anfange nur kleine Schritte thut.

   Man kann sich den Reiz der Schwierigkeit so lebhaft vorstellen, daß man gern zu ihr zurükkehrt.

   Man muß den Zwek, den man hat, so lange, und von so vielen Seiten betrachten, bis man ihn lieb gewint. Desto besser, wenn man ihn gleich Anfangs lieb gewonnen hat.

   Man muß mit scharfer Wage wägen, was eigentlich Verdienst sey. Denn alsdann wird man sich keine kleine Zwecke vorsezen, und also nicht in die Gefahr gerathen mitten in der Unternehmung abzubrechen. Dieses Abbrechen erfolgt natürlicher Weise, so bald man das Unbedeu­tende des Zweckes gewahr wird.

   Es ist keine Kleinigkeit, daß es die Deutschen sind, die, nach den Grie­chen, am meisten erfunden haben. Und ist es etwa eine, dazu beyzutragen, daß man einst, daß man nun bald sagen könne: Die Deutschen ha­ben mehr, als die Griechen erfunden ?

Der Deutsche, der hierbey nichts fühlt, mag meinenthalben gar so sehr verfeinert seyn, daß er überhaupt klein von Vaterlande denkt. Spott und Verachtung über den Thoren! Doch das nicht einmal. Er werde mit dem Kaltsinne des Stillschweigens übergangen.

 

 

Der Fuchs, der Poetiker, und der Reimer.

 

War ein Fuchs,sah Trauben hängen, sprang vergebens danach, lief fort, und sagte: Sind der sauren! Ist gefabelt. Denn der Fuchs frist keine Trauben.

   War ein Poetiker, sah die Muse mit der Nectarschal in der Hand oben aufm Hügel stehen, wolt zu ihr hinauf, kont nicht, lief fort, und sagte: Schmekt bitter! Abermal gefabelt. Denn der Poetiker hasset alles Selbst­arbeiten; es ist ihm ein Greuel!

   War ein Reimer, sah die Nectarschal, wolt hinauf, kont nicht, lief fort, und sagte: Schmekt bitter! Ist nicht gefabelt. Denn der Reimer wolt gern was arbeiten; kann's nur nicht.

 

 

Weniges von vielem.

 

Auch das gehört zu dem Vollendeten einer Schrift, daß alles darinn Beziehungen und Verhältnisse unter sich habe, und daß sich von diesen die seltneren Abstände nicht zu weit entfernen. Freylich sind diese Züge des Gemäldes manchem unsichtbar; aber sind sie deswegen nicht da, weil's Leute mit blöden Augen giebt ?

 

 

Die Wünschelruthe und der Stein des Weisen.

 

Wo liegst du? Sprich nicht, schlag. Ich schlage. Nach mir hin must du schlagen, und nicht so in die Luft streichen, wie du thust. Aber wo liegst du denn? Wo ich liege, das ist ja eben der Punkt, den du treffen must. So bald du ihn getroffen hast; so hüpf ich zu dir hinauf. Aber was bist du denn eigentlich? Du weist noch nicht einmal, was ich bin; und suchst mich doch. Du magst mir wol eine von den Wünschelruthen der Bergleute seyn; und mich gar für den berüchtigten Stein der Goldmacher halten! Harter Stein! das denn doch nur eben nicht; aber wenn ich dich schon genung kente; so braucht ich dich ja nicht zu suchen. Schlag! Wieder vorbey geschlagen. Wo bist du gewachsen, Wünschelruthe? Gewachsen bin ich .. Bey Sümpfen? oder nah an den Wolken? unter den Einflüssen des Nebels? oder der Morgenröthe? Ich bin gewachsen .. ja ich bin irgendwo gewachsen. Ich versteh alles. Schlag nun meinenthalben noch so viel; ich werde ruhig liegen bleiben.

 

 

Weitläuftigkeit und Vollständigkeit.

 

Wo diese noch mit einander verwechselt werden, da ist man noch ein halbes Jahrhundert von der Reife entfernt. Lasset euch die Weitläuftigkeit nicht irre machen, die sich mit Blumen puzt. Sie ist Weitläuftigkeit.

 

 

Zwey Antworten.

 

Er hat gut geschrieben für die Zeiten, in denen er lebte. Als wenn das Genie ein Sclav seiner Zeiten seyn könte; und dann, wenn jenes gleichwol gelten soll, als wenn die Griechen und Römer zu denen Zeiten, die zum Dekmantel dienen müssen, nicht schon wären da ge­wesen.

 

 

Aus dem goldnen Abece der Dichter.

 

Laß du dich kein Regulbuch irren, wie dik es auch sey, und was die Vor­red auch davon bemeide, daß ohne solchen Wegweiser keiner, der da dichtet, könne auch nur Einen sichern Schritt thun. Frag du den Geist, der in dir ist, und die Dinge, die du um dich siehst und hörest, und die Beschaffenheit deß, wovon du vorhast zu dichten; und was die dir ant­worten, dem folge. Und wenn du's nun hast zu Ende bracht, und kalt worden bist von dem gewaltigen Feuer, womit du dein Werk hast arbei­tet; so untersuch alle deine Tritt und Schritt noch Einmal; und wo sie etwa wankend gewesen sind und gleithaft, da geh du von neuem einher, und halt solchen Gang, der stark und fest sey. Wilst du dich nach gethaner Arbeit erholen und erlustigen; so nimm der dicken Regulbücher eines zur Hand, und lauf hie und da die Narrentheidungen durch, die du vor dir findest.

 

 

Anlaß zum Stillschweigen.

 

Wer die Wollust noch nicht geschmekt hat, welche die zu überwin­dende, und die überwundne Schwierigkeit geben, der ist noch ein Neu­ling, und solte sich des Mitsprechens enthalten.

 

 

Das poetische Genie.

 

Ist die Reizbarkeit der Empfindungskraft etwas grösser, als die Lebhaftig­keit der Einbildungskraft; und ist die Schärfe des Urtheils, in ungleichem Abstande von beyden, grösser als sie: so sind dieß vielleicht die Ver­hältnisse, durch welche das poetische Genie entsteht.

 

 

Nachsicht.

 

Magst du doch die oder jene Thorheit begehn; aber vor der Lächerlich­keit der Lächerlichkeiten sey auf deiner Hut, nämlich: Dem Meister Unterricht in seiner Kunst zu geben.

 

 

Auslegung eines Sprichworts.

 

Wo der Adler nistet, klekt's die Schwalbe nicht an. Weit entfernt eine Erklärung über dieß alte deutsche Sprichwort zu machen, wie Erasmus über die griechischen gemacht hat, merkte Ekhard nur an, daß die Schwalbennester unter andern auch vor den Steinen der Knaben nicht sicher wären.

 

 

Die Blinden.

 

Sassen zwey Blinde bey einer Schilderey. Der eine fühlte auf der unrech­ten Seite herum, sagte: Ist niedrig Buschwerk, wird etwa für einen Weid­mann geconterfeyt seyn. Der andre fühlte auf der rechten Seite herum, sagte: Hügel sind's, etliche nur, all das andre ist Ebne. Trat noch ein Blinder, ihr guter Gesell, herein, ließ sich den Zwist erzählen, fühlte auf dem glatten Kamen herum, sagte.: Was? Stilles ebnes Meer ist's, worinn sich die liebe Sonne spiegelt. Hatten die Blinden einen andern guten Ge­sellen, der kont sehen. Da sie selbigem nun den Zwist der Länge nach hatten erzählt, sprach er: Bin hergewandert, euch zur Musika einzula­den, weil mir ein treflicher Geiger ankommen ist. Habt wol eh davon sagen hören, daß unter Zeiten der Himmel voller Geigen hinge. Da hat er eine herabgenommen, so spielt er! Aber die Streitigkeit? So komt doch. Ich mag die Schilderey nicht ansehn; sie betrübt mich nur. 's ist Hermann, der von seinen eignen Blutsfreunden ermordet wird! Aber komt immer. Der Mann wartet in der Laub auf uns, und still ist's, und Mondschein auch.

   Doch sie spotteten nur des Sehenden, fochten das Ding fernerhin unter sich aus, und liessen ihn allein zum Geiger gehen.

   Bring du diese Gleichnisrede, die dir etwa allzu lügenhaftig vorkom­men mag, bey der Anwendung, nur an den rechten Mann; (thust am besten, wenn du dir einen Gelehrten zu diesem Manne kiesest) und sie wird dir gar glaubhaft vorkommen.

 

 

Ekhards Grille.

 

Aldermann Ekhard pflegt zu sagen, daß er viel lieber Einen troknen Ton, ja nur Laut von sich geben möge, als eine ganze lange Redseligkeit, wie sie wol eher zu seiner Jugendzeit wäre gelobpriesen worden; und nun besonders in seinen alten Tagen gelobpriesen würde.

 

 

Vielen unverständlich.

 

Die Umkreise dessen, was wir erforschen können, und dessen, was uns als Schön ganz gefält, sind kleiner, als wir es uns, in unserm Durste nach Erkentnis und nach Vergnügen, vorstellen. Gleichwol sind uns diese kleineren Umkreise bey weitem noch nicht völlig bekant, und das beson­ders daher, weil wir uns so viel über den Gränzen zu schaffen ma­chen. Wohl dem, der innerhalb derselben bleibt, und hier noch unbekante Länder und Ländchen entdekt. Seze die Gränzsteine. Wenn ichs auch könte, so thät ichs doch nicht. Als wenn ihr nicht einer Spanne halben, die ich gefehlt hätte, und vielleicht auch nicht gefehlt, Streit an­fangen würdet, indem ihr eben hundert Schritte irre gegangen wärt. Zu­dem so hab ich noch dieß und jenes innerhalb zu thun, und also keine Zeit übrig, selbst mit bessern Streitern, als ihr seyd, in die Schranken zu gehn.

 

 

Am besten an der Anwendung zu kennen.

 

Sind ihrer manche, die vielerley Reguln und Richtschnuren fertigen, wie der Dichter es solle machen, wenn er dichtet. Sind ihrer aber eben so wenige, die das Ding mit den Richtschnuren recht inne haben, als klein guter Dichter Zahl ist. Da sezen sich nun die Regulgeber hin, und meinen's auszugrübeln, was da Natur sey, und kennen doch keine Erfah­rung; und ertappen sie ja 'mal was, das nach Natur aussieht, so können sie doch nicht damit umgehn, stellen's schief hin, werfen's durch 'nander; und wenn's nun gar recht zu dem geht, worauf's allein ankomt, so wissen sie vollends weder aus noch ein. Da sieht man's denn, wenn sie sich selbst was unterfangen, und mit ihrem Schiflein aufs weite Meer hinausfahren, da bleiben sie auf allen Sandbänken sizen, und ist kein Fels wo, auf den sie nicht stossen.

 

 

Mittel in sich zu gehen.

 

Thust wol, wenn du zwischen viel Bücherschreine geräthst, daß du gleich beym Eintritt dich der Sterblichkeit erinnerst deiner eignen Schriften, und hernach beym Herumwandeln unter den vielen verblichnen Werken dich des Spöttelns über selbige enthaltest. Zieh du vielmehr das Schiksal aller menschlichen Ding in Betracht; und der Geist der Spötteley wird schon von selbst die Flügel hängen lassen.

 

 

Von der Kürze.

 

Liebst du runden gediegnen Sinn, so bist du karglaut, und sezest da der Wörtlein nur etliche, wo andre ganze lange Zeilen daher laufen lassen. Bist dann freylich auch gar übel dran mit dem, welchem die Art des Ver­ständnisses, so ihm etwa worden ist, sich nicht anders öfnet, als durch schlackichte und vieleckichte Gedanken. Solcherley Gedanken haben nun zwar, besieht man's beyn Lichten, nichts in sich, das nur etlichermaassen des Merkens werth sey; aber das verschlägt dem Manne nichts, dem nur durch sie das Verständnis kann geöfnet werden. Er hegt und pflegt sich nun einmal mit selbigen. Mag er doch. Aber was soll's der Demut dich mit ihm zu schaffen machen? Sorge du für die, denen du, bey aller deiner Karglautigkeit, viel eher ein Wörtlein zu viel, denn eins zu wenig sezen köntest.

 

 

Ein alter Schaden.

 

Ausser dem Vortreflichen und Guten noch etwas Halbgutes oder gleichsam Gutes in den Wissenschaften anzunehmen, ist mislich, und hat mancherley üble Folgen, und das aus der Ursach, weil das Halbgute und das Mittelmässige nie beyzulegende Gränzstreitigkeiten mit einander haben.

 

 

Wundergeschichte.

 

Es war einmal ein Mann, der viel ausländische Schriften las, und selbst Bücher schrieb. Er ging auf den Krücken der Ausländer, ritt bald auf ihren Rossen, bald auf ihren Rossinanten, pflügte mit ihren Kälbern, tanzte ihren Seiltanz. Viele seiner gutherzigen und unbelesenen Landsleute hielten ihn für einen rechten Wundermann. Doch etlichen entging's nicht, wie es mit des Mannes Schriften eigentlich zusammenhinge; aber überall kamen sie ihm gleichwol nicht auf die Spur. Und wie konten sie auch? Es war ja unmöglich in jeden Kälberstall der Ausländer zu ge­hen.

 

 

Die Luftschlösser des Gelehrten.

 

Den Entwurf zu einem Buche machen, das Neues enthält (mit Schnellig­keit, mit Feuer, mit Ungestüm!) und zugleich glauben, man werde den Entwurf ausführen, ist innige Herzenslust, und vielmehr als Vergnügen. So hab ich ihrer nicht wenige heut entworfen, und morgen die Hofnung aufgegeben sie zu schreiben. Vergessen sind sie! Doch bin ich darum weniger glüklich bey den Entwürfen gewesen?

 

 

Zurechtweisung.

 

Sind Viele, die allerhand Regelgeschwäz treiben über das, was dem Dich­ter obliege; frommet aber selbes nicht, sondern richt vielmehr Schaden an bey kleinlauten Gemütern. Wahrer und ächter Regeln des Dichtens sind nur etliche wenige; und die haben denn sichre und gewisse Merk­zeichen, an denen sie gleich erkennen mag, wer Augen im Kopfe hat. Für erst sind solche Regeln gutes Ursprungs, das heisset so viel: Sie sind her­genommen aus des menschlichen Herzens Art und Eigenschaft, wie auch aus der Beschaffenheit und dem Zustande der Dinge, die um den Men­schen her sind. Zweytens sind sie fein leicht anzuwenden, zeigen gerade, gebahnte Strasse dahin, wo der Dichter hin muß, wenn ihm vor Meister­sänge ekelt. Sind drittens nicht kleine Ziele, zu welchen er durch diese Regeln bracht wird; sondern wenn er dort ankommen ist, so fährt er aufs Herz zu, daß einem schaudert, oder froh zu Mute wird, oder was es sonst mehr vor gewaltige Beweg- und Erschüttrungen sind, die einer gern haben mag. Must aber ja nicht dabey zu erwägen aus der Acht las­sen, daß selbsten solche ächte und wahre Regeln zu nichts nicht taugen dem, der nicht Geisteskraft und Gabe dazu hat, etwas nach selbigen hervorzubringen.

 

 

Ungekante Gleichheit.

 

In einer gewissen verfeinerten Schreibart einiger Neuern, welche falschverstandner Atticismus ist, grosse Gedanken sagen, oder die Sitt und Weise der Scholastiker wieder aufwärmen wollen, ist einerley. Die Scho­lastiker liessen Engel auf Nadelspizen tanzen.

 

 

Die Meisterer betreffend.

 

Einem Meisterer ist ein zu ehrsamer Name worden, angesehn selbiger von Meister abgeleitet wird; solt arger Gesell heissen. Fält wol Widerrede, und wird gesagt: Eben dadurch, daß das Wort Meisterer von Meister komme, zeig es kräftiglich den an, der überm Meister seyn wolle; aber Mann und Knabe solten auch nicht `mal etliche Laut und Buch­staben mit´nander überein haben; und Meisterer solte lieber: arger Gesell, oder wie man sonst wolt, geheissen werden.

 

 

Die drey Wege.

 

Der Kritikbeflissene schlägt vornämlich drey Wege ein, auf welchen er den kurzsichtigen Leser irre führt; und demjenigen, der sich so nicht füh­ren läst, und weiß, daß er auch eine Stimme habe, lächerlich, und, nach Gelegenheit, auch wol verächtlich wird.

   Er wendet wahre theoretische Säze unrichtig an; dieß nur selten, denn die wahren sind ihm gar wenig bekant.

   Manchmal verfalt er auch auf eine richtige Anwendung; abergewönlich sind die so angewandten Säze falsch. Von diesen wimmelt es zwar in den Lehrbüchern; aber keine geringe Anzahl derselben wächst auch dem Kritikbeflissenen, während daß er seine Aufsäze verfasset, unter der Hand wie Erdschwämme auf.

   Was am meisten belustigt ist die unrichtige Anwendung falscher Säze. Erst stelle man sich so manchen lieben Leser vor, dem hier wahr und richtig weder kalt noch warm geben; und dann, daß, statt eines Pfeiles, ein Bolzen bey dem Ziele vorbey fliegt.

 

 

An den, welcher die Geschichte unsrer Sprache schreiben wird.

 

Jüngling, oder Mann, denn ich weiß nicht, sagte Ekhard, wer es thun wird, merke dir zuerst, und vor allen Dingen, daß deine Sprache eine reichhaltige, vollblühende, fruchtschwere, tönende, gemesne, freye, bild­same, (doch wer kann von ihr alles sagen, was sie ist?) mänliche, edle, und vortrefliche Sprache ist, der es kaum die griechische, und keine der andern Europäersprachen bieten darf.

   Aus celtischer Wurzel wuchs sie nicht auf. Denn Cäsar rühmt's an Ariovisten, daß er gut gallisch spräche. Späh du ihrer Wurzel nicht nach. Denn wer wolte in solcherley Staube umsonst wühlen.

   Die Barden, die über Cäsars Rheinbrücken, gerechte Leute, spotteten; Hermannen bewunderten, weil er's werth war; Bojokalen beweinten; die kühnen Franken vom schwarzen Meer an bis zu der Rheinmünde geleiteten; die .. von diesem allen sey kurz, denn du kanst weiter nichts, als ich auch kann, dieß nämlich: Ihrem Andenken eine heisse deutsche Thräne hinstürzen lassen.

   In Ulphila findest du den ersten Quell der Sprache. Aber er fliest nur kärglich; denn nur wenig Überbleibsel haben wir gerettet.

   Der Angel und der Sachse, die Britannien eroberten, haben viel Schäze hinterlassen. Ekler, aber auch dummer Kaltsinn hat sie vergraben. Scharre du sie auf.

   Manesse sah beym Sammeln nicht sonderlich scharf; doch etwas Gol­des ist gleichwol drinn.

   Von den Minnesängern bis zu Luthern ist ein weiter Weg. Ich hatte nie der Musse genung um zu sehn, ob dort auch Rosen an den Dornen wären. Du must ihn auf deiner Wanderschaft gehen.

   Niemand, der weiß, was eine Sprache ist, erscheine ohne Ehrer­bietung vor Luthern. Unter keinem Volke hat Ein Mann so viel an seiner Sprache gebildet. Dein Weg führt dich zu unsern Zeitgenossen. Untersuche, und vergleiche sie unter einander. So nur kanst du's treffen. Trifst du's, so wird dein Ausspruch auch der Ausspruch der Enkel seyn. Gehab dich wol, Jüngling oder Mann, und geh an dein Werk.