Johann Gottfried Seume:
 
Epistel an Herrn Falk in Berlin

 
    Zum Frieden Handschlag, lieber Falk!
Du wirst mich, glaubī ich, schwerlich kennen,
Sollt ich mich Dir auch dreymal nennen;
Doch thut das nichts. Man sagt, Du seyst ein Schalk,
Der, setzt er sich auf seinen Stecken,
Ganz rüstig ist die halbe Welt zu necken.
 
    Ich las nun deiner Büchlein drey,
Und fand, daß deine Schreiberey,
In welcher Du den Satyr treibest,
Und manchen Narrn die Kappe schreibest,
Ein Kind von Swiftscher Abkunft sey.
 
    Das freut mich nun; denn wenn von Ruthen
Die Narren und die Schurken bluten,
So darf mann hoffen, daß die Heerden
Am Gängelbande deiner Zucht,
Wenn sie den Stachel endlich gnug versucht,
Doch nach und nach geringer werden.
 
    Doch, Freund, dein Amt ist voll Beschwerden,
Mit Wahrheit ist man überall der Welt,
Sowohl den Bösen als den Frommen,
Beym ersten Augenblick nicht ganz willkommen,
Denn niemand will, daß ihm die Kappe schellt.
Und denkst Du gar an Lohn und Dank
Für deinen Züchtigungsgesang,
Dann hast du höchlich dich betrogen,
Hast ganz die Rechnung ohne Wirth gezogen,
Und sitzest auf der lahmen Bank.
 
    Ein kleines Häuslein kauf mit seinen Dreyern
Das neue Lied voll Pfeffer, und
Thuts fröhlich rings dem Nachbar kund,
Und liest und lacht und läßt Dich weiter leyern:
Die Menge wirft den Banstrahl auf die Schrift.
Doch dieses alles schadet nicht.
Wenn aber Dir vom großen Schleicherorden
Ein Tropf, der tief getroffen worden,
Mit einem schönen Pfingstgesicht
Enkomien und Weihrauch spricht:
Dann, Freund, denkt er mit seinen süßen Worten
Dein Glück in seinem Keim zu morden:
Und diesen fliehe mehr als Pest und Gicht.
 
    Er suchet dir in seiner Klike
Mit überzuckerter Intrike
Sein fein gekochtes Gift zu mischen,
Und heimlich schleichend dir zum Dank
In einem goldnen Labetrank
Dir dann die Mischung aufzutischen.
 
    Du hast gewiß den Lohn gewußt,
Als du der Thorheit und der Laster Hyder,
Entschlossen, muthig, frey und bieder,
Entgegen warfst die offne Brust.
 
Die Männer, die mit eignen Augen sehen,
Und ohne Stelzen überall
Beym Pfingstbier und im Büchersaal
Auf ihren eignen Füßen gehen,
Die wissen dir gewiß es Dank,
Wenn in melodischem Gesang
Durch deiner Gräber runde Stanzen
Die Imans bunt und kraus gemischt,
Zu herrlichen Porträten aufgefrischt,
Mit zierlichen Marotten tanzen.
Der Hahn kräht brav, und Danischmende spricht
Sarkastisch Bauchgrimm für die Schranzen,
Und für die Edlen Morgenlicht.
 
    Und mancher guten Seele wehte
Der Geist der ruhigsten Religion
In ihres Lebens Region
Aus deinem Wirrwar der Gebete.
 
    Der Vater Franke würde lauschen,
Und fast, wenn du die Zauberruthe rührst,
Und deinen Menschen auf die Bühne führst,
Für deinen Menschen seinen eignen tauschen.
Das schöne Stückchen ist so voll,
Mit allem Firlefanz behangen,
So närrisch weise, so vernünftig toll;
Und alle unsre Pfauenfedern prangen
An Tully, Lips und Alexander,
Kartusch, Oktav und Käsebier,
Wie in der Welt, im herrlichsten Gewirr
Der schönsten Ordnung durch einander.
 
    Ich danke, Freund, Dir manche Stunde,
Wo ich an deiner Muse Hand
Mich labyrinthisch durch die Runde
Der Thorheit unsrer Brüder wand,
Und lachend oft auch meine eigne fand.
 
    Du sprichst mit Ernst, und deine Sprache,
Die Feindin jeder Narrenzunft,
Spricht für die Sache der Vernunft,
Und dieß ist eine heilīge Sache.
 
    Die Sprache darfst Du nie entweihen, -
Dein Vater selbst, der strenge Boileau,
Befiehlt mit gutem Grund es so, -
Zu niedern Alltagslitaneyen.
 
    Du thatst, ich meine, wohl nicht gut,
Daß du, ein Mann, mit Knabenmuth,
Im Jucken deiner Federspule,
Die Männerschaft der ernsten Schule
Im Schnurrenton aufs Tabernakel trugst.
Und kühn vor deinem Richterstuhle
Sie mit der Fliegenklatsche schlugst.
Du hast nicht einen todt geschlagen,
Doch billig nur von manchem Biedermann,
Der Dich vorher sehr lieb gewann,
Für Dich nur Tadel heimgetragen.
 
    Die bunten Schülersschaften Kants
Sind, trotz den dunkeln Labyrinthen,
Durch die mit eignen neuen Sünden
Sie die Vernunft in Nebel winden,
Doch wahrlich mehr als nur ein Drachenschwanz.
Gesetzt, die Schule hätte sich
An deinem Satyr so versündigt,
Daß du mit Recht ihr feyerlich
Längst offne Fehde angekündigt;
So spricht des Stückes ganzer Ton
Zu sehr dem Gegenstande Hohn:
Und edlen feingestimmten Herzen
Wird, trotz des Witzes um sie her,
Mit dem Du sprächest, billig schwer,
In diesem Punkt auf diese Art zu scherzen.
 
    Hat selbst der Matador der Spötter,
Des Fürst des Witzes, Vater Lucian,
Der Schreck der Menschen und der Götter,
Wohl jemals so etwas gethan?
Vielleicht nur Aristofanes
Aus seinem Rettichmagazine
Warf seinen Streich mit gleicher Miene
Nach Euripid und Sokrates.
 
    Verzeih mir, Lieber, meinen Tadel!
Ich nehm ihn jeden Augenblick
Von deinem bessern Selbst zurück;
Der Geist hat Kraft, und deine Seele Adel.
Laß du die kleinen Hummeln summen,
Und rede, weil auf dir Apollo ruht,
Mit deiner Suade Heldenmuth,
Wo andere verzagt verstummen.
 
    Wenn Bonzen Rauch und Nebel streuen,
Und uns dem Schooß der alten Nacht,
Wenn schon die junge Morgenröthe lacht.
Nonsensikalisch wollen wieder weihen;
Dann schlage du mit deinem Blitz,
Der ringenden Vernunft zum Wohle,
Die mitternächtlichen Idole
Zurück zum Erebus auf ihren Sitz.
 
    Wenn zähnefletschend stolze Bassen,
Mit Feuerschlünden rund umpflanzt,
Mit Pergament und Stahl umschanzt,
Das letzte Mark der Hintersassen
Bey ihrem Blutmahl schmelzen lassen;
Dann sprich Du wie mit Ungewittern,
Daß unter deinem Ungestüm
Der Unterdrückung Ungethüm
Vor Furcht die letzten Nerven zittern.
 
    Wenn rechtliche Harpyen schwelgen,
Wenn, glänzend vom gestohlnen Gold,
Der Räuber Lips im neuen Wagen rollt,
Brich Du ihm seiner Räder Felgen,
Und reiß dem feilen Bösewichte
Die Larve kühn vobn dem Angesichte.
 
    Wenn Laster Tugend unterjocht,
Und Bosheit kühn auf Macht und Ansehn pocht;
Wenn sie mit neuem giftīgen Geifer
In hohem glühenden Satanseifer
Zu siebenfachem Menschenelend kocht;
Dann wirf mit allen Flammen drein,
Und sublimire deine Reize;
Dann, lieber guter Falk, dann beitze
Mit Vitriol und Höllenstein.
 
    Hat man dich einst beleidigt, lache;
Die Männerchen, die vor der Zeit,
Dich neckten, liegen in Vergessenheit,
Und sind zu klein für deine Rache.
 
    Die Menschheit ist nun deine Sache.
Weih diesem göttlichen Geschäfte, -
Und groß und herrlich ist der Ruf,
Zu welchem Dich das Feuer Gottes schuf -
In deiner Laufbahn deine Kräfte.
 
    Die Menschheit dankt dann deinem Nahmen,
Und setzt ihn in ihr Heiligthum
Als Wächter neben ihr Palladium;
Die Biedermänner sprechen Amen.
Und einer Nachwelt warmer Dank
Ist überall der schönste Grabgesang.


    J. G. Seume: Epistel an Herrn Falk
    Neuer Teutscher Merkur 1797, Juni, Seite 149-156.