Gotthold Ephraim Lessing :
Ausgew. theologische Schriften 1778 ff. |
Der Buchstabe ist nicht der Geist, und die Bibel ist nicht die Religion. Axiomata, III. (1) |
Goeze, hat man mir geschrieben, wäre krank, und müßte alle Tage zwei Stunden reiten, welches gerade die zwei Stunden wären, die er sonst zu meiner Widerlegung bestimmt gehabt hätte. Wenn das so ist, wo will ich noch heute anfangen, um seine Genesung herzlich zu beten.
Lessing an Elise Reimarus, 16. 12. 1778 » Resolutio für den Hofrat und Bibliothekar Lessing zu Wolfenbüttel, dessen neuerlich herausgegebene Schriften betreffend: Der Durchleuchtigste Fürst und Herr, Herr Karl Herzog zu Braunschweig und Lüneburg etc. lassen dem Hofrat und Bibliothekar Lessing zu Wolfenbüttel auf desselben untertänigstes Ansuchen, daß seine eigenen Schriften fernerhin von der Zensur ausgenommen, und die Waisenhaus-Buchhandlung bedeutet werden möge, daß sie besonders seine sogenannten Anti-Goezischen Blätter nach wie vor verlegen und ohne vorgängige Zensur drucken lassen könne, hiemit die Resolution erteilen: daß, gleich wie es überhaupt bei der angeordneten Konfiskation der noch vorrätigen Exemplarien des 3ten und 4ten Teils der sogenannten >Beiträge aus den Schätzen der Bibliothek zu Wolfenbüttel< sowohl, als des besonders gedruckten >Fragments von dem Zweck Jesu und seiner Jünger<, auch aller anderen darauf einen Bezug habenden Schriften ein für allemal sein Bewenden hat, also auch fürs Künftige, nachdem die Dispensation von der Zensur wegen des davon gemachten Mißbrauchs aufgehoben werden müssen, weder die sogenannten Anti-Goezischen Blätter, noch sonst andre eigene oder fremde Schriften, sie mögen Namen haben, wie sie wollen, ohne Zensur drucken zu lassen dem Supplikanten gestatten werden könne; sondern derselbe, was er fernerhin drucken zu lassen gemeinet ist, an Höchstgedachtes Sr. Durchl. Fürstliches Ministerium bis zu anderweiter Verordnung jedesmal zuvörderst einzuschicken, hienächst aber die hier einmal konfiszierten Schriften auswärts drucken zu lassen bei Vermeidung unangenehmer Verordnung sich zu enthalten habe; gleichwie denn auch demselben, daß er dem Fürstlichen Consistorio bei Ausübung der diesem Landescollegio obliegenden teuren Pflichten einer Unbedachtsamkeit zu beschuldigen sich nicht zu viel sein lassen, hiemit ernstlich verwiesen wird. Braunschweig den 3ten August 1778 Urkundlich « Hat sich den Concordiaball gewiß auch anders vorgestellt. Dort, wo der Schnapsl um das Schicksl wirbt, dürften er und seine Eva, an die Wand gemalt und eine Nacht lang verpflichtet, zuzuschauen, sich als Eindringlinge gefühlt haben. Gegen das Bedürfnis des Herrn Julius Bauer, sich ein Lessing-Denkmal zu setzen, war aber nicht aufzukommen, uns so mußte es geschehen, daß eine Gesellschaft, die von Lessing nichts anderes weiß, als daß er den einzigen vorrätigen Reim auf Messing bildet, und die nichts an ihm höher schätzt, als daß er mit dem Vornamen Ephraim geheißen hat, >im Zeichen< dieser bekannte Persönlichkeit ihr spezifisches Ballfest beging. Wie würdig nun die Anreger des Wiener Lessing-Denkmals ihrer Idee sind, haben sie durch den Almanach bewiesen, den sie zur Ehre des berühmtesten, aber unfreiwilligsten Mitglieds der Concordia herumgereicht haben. Da Lessing selbst sich zur Damenspende nicht sehr eignet, so haben einige literarische Persönlichkeiten zusammengetan, um zu vermitteln. Der Versuch ist so ausgiebig gelungen, daß sich wohl keine Dame finden dürfte, die dem intellektuellen Niveau der Herren Beiträger nicht gewachsen wäre. Herr Auernheimer hat das Glück, in analphabetischer Reihenfolge zuerst berücksichtigt zu werden. Er deutet den Lessing als Kommentar seines eigenen Schaffens, das noch vielfach unverstanden ist. »... Ein großer Schriftsteller«, sagt er von ihm, »der dabei amüsant ist, und - dem man es verzeiht.« Der Gedankenstrich ist ein Seufzer. Herr Auernheimer will sagen, wie ganz anders es ihm ergehe, den man zwar, Gott ja, für amüsant hält, aber -. Nun, nicht jeder hat Zeit, hundertfünfzig Jahre zu warten, man wird bitter, und wenn man so oft Wien mit einer Frau und die Welt mit einer Frau und überhaupt alles in der Welt mit einer Frau verglichen hat, dann will man erhört werden. Immerhin, Herr Auernheimer kann nichts dafür, daß er einen Namen trägt, der ihn zum Vorspiel jedes literarischen Ärgernisses macht. Er ist sicher reinlicher als die Gesellschaft, die ihm bis zum letzten Buchstaben in der Literatur, bis zum Zifferer, nachfolgt. Das B sollte es überhaupt nicht geben, denn es setzt sich in der Regel zu Bettelheim, Blumenthal und Burckhard fort. Was aber Herrn Bahr anlangt, so darf man nicht glauben, daß ich ihm zuliebe eine Ausnahme mache. Nur glaube ich nicht, daß er im Alphabet ohne Blumenthal denkbar wäre. Lessing rühmt er nach, er habe zuerst erkannt, »daß all unseres Sinnens und Wirkens Wert im Erstreben, nicht aber im Erreichen der Wahrheit besteht, da jede Wahrheit, kaum erreicht, sich schon wieder als Irrtum enthüllt.« Das ist richtig und Herr Bahr lebt danach. Man könnte indes auch sagen, daß unseres Sinnens und Wirkens Wert im Erreichen der Lüge besteht, da jede Lüge, kaum erreicht, sich schon wieder als Erfolg enthüllt. Herr Doczy dagegen beklagt, daß die Freiheit des Geistes, von der Lessing geträumt, »von seinem Vaterlande noch nicht erreicht sei, wo ein Jude nicht Offizier werden kann«. Als ob es nicht Trostes genug wäre, daß er in Ungarn Sektionschef werden kann! Otto Ernst ist der Mann, der als einziger beherzt war, den in der Luft des Concordiaballes liegenden Reim »Messing« aufzugreifen und in die Damenspende zu setzen. Herr Falk meint, die Lessings seien uns nötiger als die Nietzsches, die Hellen und Klaren segensreicher als die »Tiefen« und die »Dunklen«. Er setzt diese höhnische Gänsefüßchen. Karl Kraus, »Die Fackel«, Nr. 343/344, 29. Februar 1912, XIII. Jahr, Seite 1 - 5. Wenn der Deutsche auf seine Geschichte zurückblickt, so findet er einen Hauptgrund seiner langsamen politischen Entwicklung, wie der elenden Literatur vor Lessing, in den »befugten Schriftstellern«. Die Gelehrten von Fach, von Zunft, von Privilegium, die Doktoren und sonstigen Ohren, die charakterlosen Universitätsschriftsteller des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts mit ihren steifen Zöpfen und ihrer vornehmen Pedanterie und ihren winzig-mikrologischen Dissertationen, sie haben sich zwischen das Volk und den Geist, zwischen das Leben und die Wissenschaft, zwischen die Freiheit und den Menschen gestellt. Die unbefugten Schriftsteller haben unsere Literatur gemacht. Gottsched und Lessing, da wählt zwischen einem »befugten« und einem »unbefugten« Autor! Karl Marx: Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen (April 1842) |